OMD im Porträt: Zurück nach Orléans

Mit einer Anthologie feiern OMD das 40. Jubiläum – trotz Metamorphosen ihres Synthie-Pop bleiben sie ihrem größten Hit von 1982 verhaftet

Und die Jungfrau von Orléans kämpfte sich auf den Thron zurück: Über einen Zeitraum von zehn ­Wochen wechselte sich „Maid Of ­Orleans (The Waltz Joan Of Arc)“ mit „Ich will Spaß“ an der deutschen Charts-Spitze ab. Orchestral Manoeuvres In The Dark, kurz OMD, ­gegen Markus, einen Barden der Neuen Deutschen Welle. Am Ende war der OMD-Song mit dem schwerfälligen Titel und den Geigenklängen aus dem Mellotron-Keyboard die meist­verkaufte Single des Jahres 1982 – ausgerechnet in dem Jahr, das als Höhepunkt der NDW gilt.

Über den Erfolg rätselt Band-Chef Andy McCluskey noch immer – und lacht. „Vielleicht lag es am Humptata-Rhythmus, dem Walzertakt, was in bayerischen Bierzelten gut ankommt“, sagt der Brite. „Das Stück klingt heute wie ein naturgegebener Hit, aber gehen Sie einen Schritt zurück, analysieren Sie ihn: Er beginnt mit einem 30-sekündigen verzerrten Ton. Und das wurde ein Erfolg, unser erster – und dazu gleich der größte?“

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„Maid Of Orleans“ steht im Mittelpunkt der Retro­spektive „Souvenir (The Singles 1979–2019)“, einem Set aus fünf CDs und zwei DVDs, das die nun vier Jahrzehnte währende Karriere von OMD würdigt. Die Chronologie dokumentiert, wie oft die Band den Zeitgeist traf. Auf den von Kraftwerk und Neu! beeinflussten Agit-Elektro der Debüt­single, „Electricity“, folgte Mitte der 80er-Jahre mit „Pacific Age“ ein Ausflug in den Sophisti-Pop – OMD waren darin Romantiker in schwarzen Cafés.

Auch als Koakteure waren sie oft zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle. „If You Leave“ passte in John Hughes’ prägenden Teenager-Film „Pretty In Pink“ (1986) als jener Song, der das dramatische Filmfinale illustriert. Und 1988 waren OMD die Vorgruppe von Depeche ­Mode bei deren legen­därem Pasa­dena-­Konzert, was wegen der Hysterie um Dave Gahan und Kollegen bis heute kaum ­bekannt ist. Die später mit dem Live-Album „101“ verewigte US-Tour von Depeche Mode war die erste Stadionreise einer Synthie-Pop-Band überhaupt. Deren Gründungsmitglied Vince Clarke sagte einst, ohne OMD hätte es Depeche Mode nie gegeben.

OMD: „Wir spielten einfache, monophonische Melodien – mit nur einem Finger“

Paul Humphreys ud Andy McCluskey, OMD

Ab 1990 und Liedern wie „Pandora’s Box“ waren OMD beim House-Pop à la Pet Shop Boys angelangt. Die neue Single „Don’t Go“ kehrt nun zum Ursprung zurück – und hat einen ähnlich ätherischen Pling-pling-Rhythmus wie „Europa Endlos“ von Kraftwerk. Die Spätsiebziger betrachtet McCluskey als dramatischen Einschnitt in der Musik: „Rock, überhaupt Gitarren, wurde zum Klischee. Synthie-Amateure waren die neuen Punks.“ Statt billiger Gitarren habe es nun endlich auch billige Keyboards gegeben. Der junge Andy bestellte sie aus dem Versandhauskatalog seiner Mutter. „Wir spielten einfache, monophonische Melodien – mit nur einem Finger. Kein Vergleich mit dem Prog-Rock von Keith Emerson oder Rick Wakeman!“

Andy McCluskey weiß, warum die OMD-Chronologie im Mittelteil einige Hänger aufweist. In den 90er-Jahren brach die Postmoderne an – „Pop started to eat its own history“. Und warum? „Es gab keine neue Technologie, kein Instrument, das den Nachwuchs in eine neue Ära geleitet hätte“, urteilt der 60-Jährige. Also kehrten die Gitarren zurück. „Wie konnte das passieren? Die hätten doch damals von den Synthesizern erledigt werden müssen! Britpopper wollten wie die Beatles klingen. Die machten also einen Schritt rückwärts – weil sie nicht wussten, wie es vorwärtsgehen sollte.“

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Für OMD ging es weiter, weil McCluskey die ­eigenen Anfänge als Bedingung dafür akzeptierte, dass die Leute sie noch immer hören. Schwelgerischer Elektropop mit ­behutsamen Anleihen bei den Klängen analoger ­Maschinen, eingespielt aber mittels moderner ­Programme: „Die originalen Kisten kosten bei eBay 2000 Euro, das mache ich nicht mit!“ Neben McCluskey ist von der Urbesetzung noch Paul Humphreys dabei.

Auch das Comeback des Duos im Jahr 2005, nach neun Jahren Pause, geht übrigens auf „Maid Of New Orleans“ zurück. „Wir traten damit wieder im deutschen Fernsehen auf“, erinnert sich McCluskey, „in der ,Ultimativen Chartshow‘.“ Angesichts des Titels der Sendung muss McCluskey schmunzeln. Uns braucht er das nicht zu erzählen.

Graham Tucker Redferns

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