Riefenstahl, „Deutschland“ & Links-Zwo-Drei-Vier: Wo stehen Rammstein eigentlich politisch?

Wie sind Rammstein politisch ausgerichtet? Diese Frage stellte sich besonders zu Beginn ihrer Karriere immer wieder. Dabei spielte die Band mit zwar mit totalitärer Ästhetik und Provokation – ließ aber an ihrer antifaschistischen Gesinnung keinen Zweifel.

Rammstein polarisieren seit jeher, die Bandbereite von Kontroversen im Schaffen von Till Lindemann, Richard Kruspe & Co. ist umfangreich. Von Pornographie über Gewaltfantasien, vom kannibalistischen „Mein Teil“-Song bis zum sexuell expliziten Video von „Pussy“ – die Berliner Band lebt von Skandalen und Geschmacks- Grenzgängen. Besonders in den frühen Tagen stellten sich die Frage: Wo stehen Rammstein eigentlich politisch?

Die Sache mit Riefenstahl

Auf den ersten Blick gibt es allein mit Blick auf Ästhetik wie Klangbild durchaus einige Gründe für diese Frage. Die teutonische Härte, die industriell-beklemmende Bildsprache, der militärische, marschierende Rhythmus, die mitnichten gewaltfreien Texte und nicht zuletzt das rollende „R“ Lindemanns, das die deutsche Sprache nahezu wie eine Parodie klingen lässt … für viele war klar: Hier wird mit rechter Ästhetik gespielt.

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Ein Video wie jenes zu ihrem Depeche-Mode-Cover „Stripped“ räumte diese Vermutung zunächst nicht unbedingt aus der Welt. Darin verwendeten Rammstein Filmaufnahmen von Leni Riefenstahls „Olympia“, einem Werk über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Die Regisseurin war Haus- und Hof-Filmemacherin der NSDAP und wurde von Joseph Goebbels, dem Reichspropagandaleiter des NS-Regimes, mit der „Reichtsparteitag-Trilogie“ beauftragt.

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Rammsteins Antwort: Links-2-3-4

Das Video von „Stripped“ erschien 1998 – ein Jahr nach ihrem Mega-Seller „Sehnsucht“ und ihrem Aufstieg zum Superstar-Status. Dies brachte der Band viel Gegenwind und Kritik ein. Einige waren sich sicher: Rammstein sind rechts – Vorwürfe, die natürlich ohne Berücksichtigung der Geschichte der Band getätigt wurden. Rammstein reagierten darauf 2001 mit einem unmissverständlichen Song-Statement namens „Links-2-3-4“.  „Sie wollen mein Herz am rechten Fleck / Doch sehe ich dann nach unten weg /Da schlägt es links“, heißt es darin.

Till Lindemann: „Wir hassen Nazis“

Im Gespräch mit ROLLING STONE ließ Lindemann keinen Zweifel an der antifaschistischen Einstellung der Band. „Wir kommen aus dem Osten und sind als Sozialisten aufgewachsen. Wir waren früher entweder Punks oder Gruftis – wir hassen Nazis!”, so der Sänger. „Und dann kommt auf einmal so ein an den Haaren herbeigezogener Vorwurf. Wir machen heute noch genau das Gleiche, und niemand in Amerika oder Mexiko würde auf die Idee kommen, uns so ein Zeug anzudichten. Das passiert nur hier in Deutschland.“ Das Riefenstahl-Video bereut der Sänger dennoch keineswegs, wie er 2019 erklärte: „Ich finde das Video heute immer noch toll. Damals sind alle durchgedreht. Es gab Künstler aus dem Ausland, die uns erschießen wollten. Ob man das heute noch mal machen würde, sei dahingestellt.“

Der Skandal um das „Deutschland“-Video

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2019 sorgten Rammstein bereits im Vorfeld der Veröffentlichung ihres selbstbetitelten Studioalbums erneut für einen Skandal. Die Band veröffentlichte einen Ausschnitt des Videos der Single „Deutschland“. Darin zu sehen: Bandmitglieder am Galgen, die eine Uniform tragen, die jener von Gefangenen von Konzentrationslagern ähnlich sah.

https://www.youtube.com/watch?v=q36Zon01v5k&feature=emb_title

Die Szene entpuppte sich später als eine von vielen, die die sinistre Geschichte des Landes – von Germanicus über die Kreuzrittern bis zur DDR – auf bildgewaltige und einmal mehr polarisierende Art und Weise thematisierte. Besonderes Augenmerk richteten viele dabei auf die Darstellung der Germania. Diese wird in Rammsteins Video von der schwarzen Schauspielerin  Ruby Commey verkörpert. Dieser Gesamtkontext entkräftete die Kritik vielerorts jedoch nicht: Rammstein betrieben hier PR auf Kosten von Opfern, hieß es etwa. Charlotte Knobloch, Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, erklärte gegenüber der „Passauer Neuen Presse“, die Band verharmlose den Holocaust: „Wer den Holocaust und die Millionen Ermordeten als Marketing-Gag instrumentalisiert, der geht zu weit, egal in welchem Rahmen“.

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Wofür Rammstein in Sachen Gesellschaftsfragen tatsächlich stehen, zeigten sie auch bei ihrem Konzert in Moskauer Lushniki-Stadion 2019. Dort setzte ein Kuss zwischen Paul Landers und Richard Z. Kruspe ein eindeutiges Zeichen gegen die Übergriffe auf die LGBTQ-Gemeinde. Bei einem Polen-Konzert setze die Band mit einer Regenbogenfahne ein ähnliches Statement.

Fazit:

Zwar haben Rammstein im Laufe ihrer Karriere zweifellos mit Doppeldeutigkeiten sowie rechts-ästhetischen Referenzen gespielt – sich jedoch mehrfach und klar gegen Rechts positioniert. Neu ist das ästhetische Spiel nicht – als Blaupause für Rammstein fungierte das slowenische, linke Künstlerkollektiv Laibach (die sich mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert sahen). Welche Zuhörerschaft die Lieder von Rammstein für sich beansprucht und (möglicherweise fehl-)interpretiert, ist eine andere Sache. Auch, ob die cineastischen Provokationen oft daneben schlagen, ist diskutabel. Dass Rammstein jedoch definitiv alles andere als rechtsradikal sind, sollte hingegen nicht mehr zur Debatte stehen.

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