3,0 DogS Tall Stories From Under The Table
Viele sahen in dem Debütalbum der Dogs eine Abrechnung mit not so Great Britain: — die Jugend ohne Zukunft, ein Land aus Einbahnstraßen und Kreisverkehren, der alltägliche Sozialtobak also, all das waren sicher die Themen des Dogs-Debüts, und von guter Laune war keine Spur. Auf dem zweiten Werk nun sind die Dinge vielschichtiger, die eigene Befindlichkeit mindestens ambivalent. „So I’m half the man that l want to be/ But is the other half coming on quite fast, will I wash that longing man away from me?“ fragt sich Sänger Johnny Dogs und versucht also, das Erreichen der eigenen Lebensziele nicht als Bedrohung zu begreifen.
Zu viel Sorgen muss er sich nicht machen. Denn die musikalischen Veränderungen, die mit persönlicher Zufriedenheit wohl ebenso viel zu tun haben wie mit gewonnener künstlerischer Erfahrung, dienen den Dogs zum Guten. „Tall Stories From Under The Table“ ist bei all dem Punk sehnsuchtsvoller und gar romantischer geworden als sein Vorgänger. Gleich der Opener, „Dirty Little Shop“ hebt im Chorus zur großen Hymne an. „Soldier On“ hat dann mit seinen zappelnden Rhythmen und Stakkatoreimen wieder mehr klassisch englischen Punkrock-Aplomb; es gibt hier einige Lieder dieser Art.
In „Winston Smith“ suchen die Dogs nach einer Verbindung der eigenen Spielarten mit denen von Velvet Underground und haben so einen kurzen Moment lang eine Schnittmenge mit den Strokes und deren Klonen; anderswo klingt die schon bekannte Nähe zu den frühen Jam an. Dann, Obacht, eine akustische Gitarre: Das bereits zitierte „Chained To No One“ ist eine Art britischer Pub-Rock, eine rotznasige Version der Levellers auch das geht jetzt also.
Das ist die große Errungenschaft des zweiten Dogs-Albums: dass sich der Horizont öffnet und stilistisch wie emotional ab jetzt vieles möglich scheint. Vielleicht ist es diese — nicht unbedingt absehbare — Entwicklung, die Paul Weller einer Kooperation zustimmen ließ: Bei dem schunkeligen Abgang (wieder mit akustischer Gitarre) spielt das Idol ein bisschen Klavier und betont so das großherzige Sentiment des Finales. Noch ist England also nicht verloren (WEEKENDER)