Adele: „30“ – die ROLLING-STONE-Kritik

Sony

Unwiderstehliche Selbsterforschungen von Soulpop-Superstar Adele

Es ist schon wieder alles von fast allen über Adele geschrieben worden, über ihre Scheidung, ihr Gewicht, ihre Gesamtverfassung. Also konzentrieren wir uns auf die Songs: Wie steht „30“ da, verglichen mit „25“, vor allem aber mit ihren beiden Großwerken „19“ und „21“? Es muss sich nicht genieren, und das ist schon sehr viel.

„I’ll be taking flowers to the cemetery of my heart/ For all of my lovers in the present and in the dark“: So beginnt dieses Album, auf dem Adele es anders macht als ihre vielen Kolleg*innen, die schon Trennungsalben veröffentlicht haben: Sie spart sich die Anklagen und die Wut, sie hält – anders als Taylor Swift – offensichtlich nichts von Rache.

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Stattdessen beschäftigt sich Adele mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten, sie will sich selbst verstehen. „Strangers By Nature“ ist der Auftakt einer weiteren Selbsterforschung, und wir dürfen dabei zuhören. Manchmal verlässt sich Adele dabei etwas zu sehr auf ihre große Stimme, dann kommt das Songwriting nicht mehr mit, aber um Nachsicht hat sie ja schon mit der Vorab-Single „Easy On Me“ gebeten (übrigens eines der schwächeren Stücke hier).

Wuchtiger Sound wäre gar nicht nötig

Also verzeihen wir ihr, dass sie für ihren einzigartigen Soulpop wieder mit so vielen Produzenten zusammengearbeitet hat, die ihr enormes Talent hin und wieder unter zu viel pompösem Schnickschnack vergraben. Wer singt wie Adele, braucht eigentlich nicht auch noch so einen wuchtigen Sound, der stört eher. Aber sie hat eben nicht nur ihren Kumpel Greg Kustin engagiert, sondern auch Shellback, Tobias Jesso, Ludwig Göransson, Max Martin. Zum Glück setzt sie sich fast immer durch.

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Die Selbstbezichtigungen im überraschend schwungvollen „Cry Your Heart Out“, die zaghaften Versuche, ins pralle Leben zurückzukehren, in „Oh My God“ und „Can I Get It“, die Wehmut des Scheiterns in „To Be Loved“: Adele deckt auch auf ihrem vierten Album das ganze Spektrum an Gefühlen ab.

Manche Erkenntnisse berühren einen sehr, manche klingen nach Glückskeks, und am tollsten ist sie immer noch, wenn sie die amerikanische Glamourhülle abwirft und ans Eingemachte geht. In „I Drink Wine“ kämpft sie hart mit all ihren Zweifeln: „Why am I obsessing about the things I can’t control?/ Why am I seeking approval from people I don’t even know?“

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Es ist der Londoner Inflo, der ihr die passendsten Songs hinbastelt: Im voll auf ihre Stimme konzentrierten „Woman Like Me“ beschließt Adele, jetzt endlich mal ihr Herz nur noch jemandem zu geben, der es zu schätzen weiß, und bei „Hold On“ setzt er ihre zarte Zuversicht in eine mächtige Ballade um.

Am Ende steht „Love Is A Game“, aber das glaubt Adele natürlich selbst nicht. Ihre Karriere ist darauf aufgebaut, dass sie dieses „Spiel“ sehr, sehr ernst nimmt.