Pearl Jam

Die Anerkennung für das „ruppigste Nachfolgealbum eines Grunge-Bestsellers“ gebührte 1993 Nirvana mit „In Utero“, aber die unbetitelte, von Fans „Vs.“ getaufte zweite Platte von Pearl Jam kommt diesem Aggressionsschub nahe. Der One-two Punch mit der Eröffnung durch „Go“ und „Animal“ ist in ihrem Gesamtwerk bis heute unerreicht, sie sind Höhe‑ punkte der Abgrenzung gegenüber Reichtum und Ruhm, gebellte Abscheu vor Nähe, eine Absage an alle, die nicht zum engsten Kreis gehören – und dennoch funky. Schlagzeuger Dave Abbruzzese, 1995 rausgeworfen, fehlt einem bis heute.

Wie mutig Pearl Jam vor dreißig Jahren waren

Die Musiker gaben sich den Auftrag, das Leben für ihren Sänger Eddie Vedder so unbequem wie möglich zu machen, damit er wütend blieb – er durfte während der Sessions nur in (s)einem Truck und in der Sauna des Aufnahmestudiosschlafen. Surfverbot obendrein. Vielleicht lebt er deshalb heute auf Hawaii. Die Live-Premiere von „Animal“ fand bei den MTV Awards statt; Vedder ließ sich von Neil Young an Gesang und Gitarre unterstützen und wirkte dennoch aufgebraucht.

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Der Erfolg von „Ten“ ermöglichte den Rekord des schnellst- und meistverkauften Albums in Amerika: 350.000 Einheiten setzte „Vs.“ in 24 Stunden ab, das erreicht heute nicht mal Taylor Swift. Und wie mutig Pearl Jam vor dreißig Jahren waren: Es gab keine Videos mehr, die Lieder wurden brüchiger, kürzer, und die Ein-Name-als-Titel-Politik hatte fast durchgehend Bestand. Das Anti-NRA-Stück „Glorified G“ ist am wichtigsten: „Got a gun, fact I got two/ That’s okay, man, ’cause I love God.“

Heute zählt „Vs.“ in allen Rankings zu den Top 5 der besten Pearl-­Jam-Alben, hinter „Ten“ und – leider – auch hinter „Yield“, mit dem die Seattle-Band 1998 ihre freundlicheren Seiten offenbarte. Aber wann immer Pearl Jam heute Songs aus „Vs.“ anstimmen – „Daughter“, „Rats“ oder „Dissident“ –, ist das gute Gefühl kraftvoller Verzweiflung wiederspürbar. Nun erneut auch auf Vinyl und in einem Spatial Audio Mix.