The La’s – BBC in Session
Nachträglich ist es immer leicht daherzuschwätzen, der Band X wäre auch dann für immer ein Platz in den Annalen der Rockmusik sicher gewesen, wenn sie nach dem Debüt nie eine weitere Platte aufgenommen hätte. Im Fall der La’s trifft das ausnahmsweise sogar zu. Das Quartett aus Liverpool hat nicht nur eine einzige und dann nie mehr eine LP veröffentlicht, sondern sich von der auch noch vehement distanziert. Trotzdem war die noch jedem besseren Rock-Lexikon mehr als nur eine Fußnote wert, und in allen Einträgen konnte man nachlesen, wie sich die Band mit dem Management ihrer (Indie!-) Firma zerstritt, dann doch noch Sessions für ein zweites Album riskierte, nur um den Bettel danach endgültig hinzuwerfen und nie das Versprechen einzulösen, das sie mit dem brillanten Erstlingswerk gegeben hatte.
Man kann sich das auch so vorstellen, als hätte sich ein anderes Liverpooler Quartett knapp 30 Jahre vorher im Zorn von seiner Plattenfirma getrennt, weil man der festen Überzeugung war, dieser Produzent namens George Martin hätte in der einen Nacht, in der man die Aufnahmen zu „Please Please Me“ unter Dach und Fach bringen musste, alles mit seinem akademischen Studioperfektionismus vermasselt. Genau dieser Auffassung war Sänger/Gitarrist/Songschreiber Lee Mavers, als Go!Discs die LP ohne Ansage und ihn vorher zu informieren veröffentlichte. Gewerkelt hatte man an der nicht Monate, sondern genau genommen über etliche Jahre hinweg. Den ins Boot geholten Star-Produzenten Steve Lillywhite hatte Mavers nicht rundweg abgelehnt, sondern erst nachträglich laut darüber geschimpft, dass seine Songs hier durchweg viel zu clean klängen und man die ganzen Bänder noch einmal gründlich überarbeiten oder aber überhaupt eh noch einmal alles neu aufnehmen müsse. Auf diese Weise handelte er sich in Fan-Zirkeln und bei einigen Kritikern den Ruf eines Perfektionisten ein.
Ob zu Recht, darf man zumindest seit der Vorjahren schon erschienenen Remaster-Edition ein wenig bezweifeln. Die jetzt nachgereichten BBC-Sessions mit den knapp anderthalb Dutzend Aufnahmen nähren den Verdacht nur noch weiter. Klangwelten trennen jedenfalls vergleichsweise seine instant sixties pop classics von den Studio-Produktionen mitnichten. Davon, dass Lillywhite ihnen eine für die späteren 8oerjahre oder seine eigene Arbeitsweise typischen „klinischen“ Studio-Sound anerzogen hätte, kann auch keine Rede sein. Live für die BBC aufgenommen, klingt „I. O. U.“ mitsamt seinen Beatles-Anleihen vielleicht eine Spur ungeschliffener. So tolle, von Hollies, Who und anderen großen Vorbildern inspirierte Songs wie „Callin‘ All“, „Son Of A Gun“ oder „Timeless Melody“ musizierten die vier live eher fast schon eine Spur zu studioperfekt; und den Powerpop-Klassiker „There She Goes“ – hier wie Outtake aus einer frühen Hollies-LP anmutend – ruinierte Lillywhite danach keineswegs durch Studio-Tricks.
Mag sein, dass Mavers für die Band noch ein ganz anderes Klang-Ideal vorschwebte, als das für die Nachwelt die CD bzw. LP und jetzt diese BBC-Mitschnitte dokumentieren. Aber das ist pure Spekulation. Die später von Mavers selbst betreuten Sessions wurden nie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Diese zwischen September 1987 und Anfang Oktober 1990 mitgeschnittenen Auftritte erfreulicherweise nun doch. Zu dem Zeitpunkt hatte man bei der BBC in Sachen Klangtechnik ein Niveau erreicht, dass die vielleicht anders, aber keinen Deut schlechter als das Studio-Werk klingen. Unendlich besser jedenfalls als vieles, was von Beatles bis Yardbirds in grässlichem Sound auf BBC Sessions-CDs so vorliegt.