Tobi Dahmen :: Fahrradmod

Auf einer Party entdeckt der Teenager Toby ein Buch über die englische Mod-Bewegung, das junge Männer zeigt, die auf ihren aufgemotzten Rollern posieren, als ob sie einen Krieg gewonnen hätten, und er begreift sofort, dass ebendies auch sein Krieg ist: ein Krieg gegen Langeweile und Gewöhnlichkeit. Die Hauptfigur in der autobiografischen Graphic Novel des Zeichners Tobi Dahmen wächst in den 80er-Jahren in einer biederen Kleinstadt auf, leidet darunter und entscheidet sich, alles andere als konformistisch zu werden.

Als im Schulunterricht der Film „Quadrophenia“ gezeigt wird und er die Musik von The Who hört, erhalten die Bilder des Buches einen Klang, und er ist fasziniert von dem Gemeinschaftsgefühl der Mods, die sich bei Unruhen im englischen Brighton gegen die verfeindeten Rocker, gegen die Polizei und vor allem gegen die Gesellschaft formieren und der ganzen Welt ihr „We are the mods!“ entgegenbrüllen. Tobi beschließt, ein Mod zu werden, aber das ist leichter gesagt als getan. Ein ständiger Kampf um Coolness und Anerkennung beginnt, der nicht gerade dadurch erleichtert wird, dass seine Eltern ihm die Anschaffung des obligatorischen Motorrollers verweigern, sodass er weiterhin mit dem Rad zu den Partys und Konzerten fahren muss.

Tobi merkt, dass er mit den Mods nicht mithalten kann, findet Freundschaft bei den Skinheads, entdeckt Ska und später Soul. Seine Freunde beginnen Drogen zu nehmen, doch für ihn sind Plattenhändler die wahren Dealer. Als der Techno aufkommt, die Konflikte zwischen den Subkulturen eskalieren, Drogen und Gewalt auch Freunde vernichten, fängt er an, sein Bestreben nach dem Anderssein infrage zu stellen. Was bleibt, ist seine Liebe zur Musik.

Acht Jahre lang hat Tobi Dahmen an diesem absolut lesenswerten Album gezeichnet, und die während dieser Zeit vorab im Internet veröffentlichten Seiten fanden viel Beachtung. Der charmante Zeichenstil, die originellen Ideen, die grafischen Überhöhungen: Schnürsenkel verbinden die Bilder, mit denen Dahmen die Entstehung der Skinheadbewegung beschreibt; eine Seite ist voller Panels in Bierdosenform. Mitunter fällt es zwar schwer, die Figuren auseinanderzuhalten, da sie sich in ihrer gemeinsamen Andersartigkeit optisch ähneln, doch die auf mehreren Erzählebenen gezeichnete Geschichte zieht den Leser in ihren Bann und überbrückt dabei einige Längen und Wiederholungen, die bei einer archetypischen Lebensgeschichte wohl unvermeidbar sind. Zu diesem Comic-Album hätte ich gern den Soundtrack gehört. Von Stephan Timm. 

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