Stärker als Heroin: So wirkt das Opioid Fentanyl, das Prince umbrachte

Durch Prince' Tod wird die Debatte neu entfacht: Wie gefährlich ist das Schmerzmittel Fentanyl, das in der Medizin eingesetzt wird?

Die Todesursache von Prince wurde am Donnerstag bekannt gegeben: Der Musiker starb an einer Überdosis des Schmerzmittels (Opioid) Fentanyl. Während auf der Sterbeurkunde des 57-Jährigen „Unfall mit Verletzungen“ vermerkt wurde, befeuert der Tod durch dieses Präparat die Debatte, welchen Nutzen das synthetische Narkotikum in der Medizin haben kann – und wie verbreitet der Handel mit Fentanyl als illegale Droge ist. Schon kurz nach Prince‘ Tod hatten die Ermittler sich auf Fentanyl als Todesursache fokussiert.

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Was ist Fentanyl und wie wirkt es?

(Die Welt, 3. Juni 2016)

Das synthetische Opioid Fentanyl wird als Schmerzmittel etwa für Krebspatienten und bei Narkosen verwendet, findet sich aber auch auf Schmerzpflastern. Das Mittel gilt als besonders riskant. Die morphiumähnliche Substanz wird auch illegal hergestellt und ist deutlich stärker als Heroin. Die Gefahr einer Überdosierung ist daher viel größer als bei dem Rauschgift. Der Zeitung «Star Tribune» zufolge hatten sich Ermittler schon länger auf Prince‘ Konsum von Schmerzmitteln konzentriert.

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Die US-Drogenbehörde DEA stuft Fentanyl in derselben Kategorie ein wie etwa Ritalin. In dieser Kategorie II sind Substanzen gelistet, die schnell eine hohe Abhängigkeit verursachen können. Der Besitz ohne Rezept vom Arzt sowie der Verkauf sind illegal. In Deutschland unterliegt Fentanyl dem Betäubungsmittelgesetz. In München war 2011 etwa eine 46-Jährige an Sauerstoffmangel des Gehirns gestorben, nachdem ein Arzt ihr gegen einen Hexenschuss ein Fentanyl-Pflaster verabreicht hatte.

Der Kampf gegen Fentanyl

(Diese Droge ist noch gefährlicher als Heroin, „Die Welt“, 6. April 2016)

42 Patienten mit Überdosis, zehn von ihnen tot – und das nur in den vergangenen zwei Wochen im Norden Kaliforniens. Verursacht durch eine Droge, welche die„New York Times“ bereits als „Heroins tödlicherer Cousin“ bezeichnet: Fentanyl, ein synthetisches Opioid. Es gilt als bis zu 50-mal stärker als Heroin.

1960 entwickelt, gilt Fentanyl als stärkstes bekanntes Narkotikum und wird als Schmerzmittel in der Medizin eingesetzt.

Mittlerweile hat Fentanyl jedoch auch seinen Weg in den Drogenhandel gefunden. Dort wird der Stoff oft fälschlicherweise als Heroin verkauft – oder als sogenannte Norco-Tabletten, die sonst eine Mischung aus Hydrocodon und Paracetamol sind. Der Preis: nur rund fünf Dollar, wie die „Los Angeles Times“ berichtet.

Und darin besteht die größte Gefahr: Den amerikanischen Centers for Disease Control (CDC) zufolge sind dem „nicht pharmazeutischen Fentanyl“ oft herkömmliches Heroin und andere Drogen beigemengt – was aus dem hochpotenten Mittel eine Superdroge macht.

Schon in geringen Dosen tödlich

Die Folgen sind erschreckend: Laut der US-Drogenbehörde DEA starben 2013 allein im Bundesstaat Ohio 92 Menschen an einer Überdosis illegalen Fentanyls. Ein Jahr später waren es schon 514 – fast 500 Prozent mehr. In den gesamten USA starben 2014 mindestens 28.000 Personen an einer Überdosis Opioide. Davon, so die CDC, ließen sich knapp 5500 Tote auf Fentanyl zurückführen. Allerdings geht die DEA von einer höheren Todeszahl aus, da viele Gerichtsmediziner ohne explizite Aufforderung die Leichen nicht auf diesen Stoff untersuchen.

Zahlen zu 2015 wurden bisher noch nicht veröffentlicht. Doch scheint die Verbreitung von Fentanyl weiter gewachsen zu sein: Vergangene Woche gab die US-Drogenbehörde eine Warnung heraus. Darin hieß es, es sei eine „alarmierenden Rate“ von Fentanyl-Überdosen zu verzeichnen. Die DEA riet der Bevölkerung, fentanylhaltige Medikamente nur von Ärzten und offiziellen Apotheken zu kaufen. Schon in geringen Mengen könne Fentanyl tödlich sein.

Dass sich die Fentanyl-Welle von der Ostküste und dem mittleren Westen zur Westküste des Landes ausgebreitet hat, läge an mexikanischen Drogenkartellen, so die „L.A. Times“. DEA-Sprecherin Cassie Rettig sagte der Nachrichtenagentur Reuters, im Fokus ständen besonders Ermittlungen zu Fentanyl-Tabletten. Man habe den Verdacht, diese würden in China produziert und dann nach Mexiko geliefert, von wo sie in die USA geschmuggelt würden.

Obama kämpft für mehr Therapieplätze

Die USA kämpfen seit Jahren mit einer Opioid-Epidemie. Abhängige entwickeln ihre Sucht häufig durch verschreibungspflichtige Schmerzmittel, die in den USA im großen Rahmen verschrieben werden. Viele von ihnen steigen irgendwann um auf Heroin, das billiger ist und stärker wirkt.

Dr. Caleb Alexander von der Johns Hopkins University sagte der „L.A. Times“ zum aktuellen Anstieg an Fentanyl-Überdosen, dass sich die Zahl der Toten nicht vom Thema der häufig verschriebenen Schmerzmittel trennen lasse: „Es ist Teil desselben Problems.“ Seiner Auffassung nach werde die Nachfrage stark bleiben, bis Ärzte die Zahl ihrer Opioid-Verschreibungen deutlich zurückfahren und Therapieprogramme für Süchtige ausbauen.

Tatsächlich ist der Mangel an zugänglichen Therapieangeboten eines der größten Erschwernisse der amerikanischen Drogenkrise. „Unser Problem ist, dass die Behandlung von Drogenabhängigen dramatisch unterfinanziert ist, vor allem in ländlichen Gegenden“, sagte US-Präsident Barack Obama während eines Drogengipfels im März, wo er einen Budgetzuschlag von einer Milliarde Dollar forderte.

Auch in Deutschland ein Problem

Die Ergebnisse einer Untersuchungskommission zeigten, dass es in rund 85 Prozent der Landkreise in den USA nur eine Handvoll oder gar keine Therapieeinrichtungen gebe, die für Patienten einfach zugänglich sind.

Obama betonte in seiner Ansprache, der Kampf gegen Opioid-Abhängigkeitrangiere inzwischen auf einer Wichtigkeitsstufe mit Zielen wie dem Kampf gegen die Terrormiliz IS oder die Stärkung der Wirtschaft. „Ein Blick auf den Preis, den all diese Familien wegen dieser Epidemie zahlen müssen, zeigt, dass die Sache eine Top-Priorität auf unserem Radar haben muss.“

Aber auch in Deutschland gibt es Fentanyl-Abhängige. Der Stoff sei hoch süchtig machend, so Professor Tom Bschor, Chefarzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der Berliner Schlosspark-Klinik. „Das Mittel wird in der Regel zur Schmerztherapie bei schweren Krebserkrankungen eingesetzt.“ Manchmal käme Fentanyl auch bei Verschleißerscheinungen der Gelenke zum Einsatz.

Atemnot als besonderes Risiko

Die schmerzlindernde Wirkung und der euphorisierende Effekt lassen allerdings von Mal zu Mal immer schneller nach. Wer seine Schmerzen über längere Zeit mit Fentanyl oder anderen Opioiden behandelt, laufe Gefahr, bald stetig höhere Dosen zu benötigen und abhängig zu werden. Das größte Risiko des Fentanyl-Konsums seien schwere Atemstörungen, so Bschor. Diese können bei manchen Menschen schon durch geringe Dosen auftreten und sogar zum Atemstillstand führen.

Ärzte in Deutschland seien Bschor zufolge verpflichtet, die meisten Opioide auf einem besonderen Attest zu verschreiben, das dann im Rahmen der Richtlinien des Betäubungsmittelgesetzes an die Bundesopiumstelle übermittelt werde. Trotzdem gebe es die Möglichkeit, sich von mehreren Ärzten Schmerzmittel verschreiben zu lassen.

Patienten mit Schmerzmittel-Abhängigkeit hätten ihm beschrieben, wie sie ihr Leben auf solchen Opioiden „wie durch eine Nebelwand“ erlebt haben, schildert Bschor. „Der Schleier ist weg“, hätte einer von ihnen während seiner Therapie gesagt. Der Entzug ist dann, so Bschor „sehr, sehr unangenehm, aber aus medizinischer Sicht nicht sehr gefährlich.“ Organische Schäden gebe es kaum welche – im Gegensatz zum Alkohol.

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