Heath Ledger: Die Todesursache des Joker-Schauspielers

Heath Ledger starb überraschend, und seinen größten Erfolg erlebte er nicht mehr mit. ROLLING STONE blickt auf die Ereignisse zurück.

Im Jahr 2008, als Heath Ledger eine Überdosis eines Cocktails verschreibungspflichtiger Pillen einnahm, stand er auf dem Höhepunkt seiner Karriere. 2005 wurde er für seine Rolle als Ennis Del Mar in „Brokeback Mountain“ für einen Oscar nominiert, im Jahr 2007 war er einer von sieben Schauspielern, die Bob Dylan im preisgekrönten „I’m Not There“ darstellten, und natürlich gab es seine bevorstehende Interpretation des Joker in Christopher Nolans „The Dark Knight“. Eine Rolle, die ihm breite Anerkennung und noch mehr Ruhm bringen sollte. Es sind Anerkennung und Ruhm, die er nicht mehr miterleben sollte.

Ledger war zunächst ein australischer Kinderdarsteller, der dem Hollywood-Publikum erstmals 1999 in der Teenager-Komödie „10 Dinge, die ich an dir hasse“ bekannt wurde. Später verzichtete er auf weitere Teenager-Komödien und wurde mit einem großen Durchbruch belohnt, als er die Rolle des Sohnes von Mel Gibson in Drama „Der Patriot“ (2000) bekleidete. Nach seinem Auftritt im positiv rezensierten „Monster’s Ball“ (2001) spielte Ledger die Hauptrolle in zwei Flops, „Ritter aus Leidenschaft“ (2001) und „Die vier Federn“ (2002). 2005 kämpfte er sich zurück. In nur einem Jahr spielte die Hauptrollen in nicht weniger als vier Filmen, darunter „Casanova“ – und eben „Brokeback Mountain.“

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Schlaflos

Monate vor seinem Tod, als er an seinem letzten Auftritt in „Das Kabinett des Doktor Parnassus“ arbeitete, litt Ledger an dem, was einige seiner Kollegen und Freunde als „wandelnde Lungenentzündung“ bezeichneten. Er hatte große Schlafprobleme, sodass er Schlaftabletten mit anderen verschreibungspflichtigen Medikamente mischte. Er tat es in einem verzweifelten Versuch, im Trubel seines Lebens etwas Ruhe zu finden. Wie sehr er damit am Rande des Abgrunds wandelte, war ihm dabei nicht bewusst.

Die Pillen halfen nicht. Ledgers Freund Gerry Grennell lebte in den letzten Monaten eine Zeit lang bei ihm, und erzählte dem „People Magazine“ von den Tagen, die sie gemeinsam verbrachten:

„Ich hörte, wie er in der Wohnung umherirrte. Ich stand auf und sagte: ‚Komm schon, Mann, geh wieder ins Bett, du musst morgen arbeiten.‘ Er entgegnete nur: ‚Ich kann nicht schlafen.’“

Die Abwärtsspirale in Ledgers Leben hatte bereits Monate zuvor begonnen, als seine Lebensgefährtin und Mutter seiner damals zweijährigen Tochter, Michelle Williams, ihre Beziehung beendete. Sie setzte ihn vor die Tür des gemeinsamen Hauses in Brooklyn, da sie – dem Vernehmen nach – nicht länger mit seinem Lebensstil zurechtkam, der immer häufiger auch Drogen beinhaltete.

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Für den Joker bis ans Limit

Nach ihrer Trennung zog Heath Ledger in eine Wohnung in Manhattan. Eben jene Wohnung, in der er wenige Monate später sterben sollte. Als er umzog, arbeitete Ledger an dem, was die wohl größte Rolle seiner Karriere werden sollte. Der Joker in „The Dark Knight“. Sein Eintauchen in die Rolle und sein fast wahnsinniges Engagement für die Figur kosteten ihn körperlich und geistig viel Kraft. Etwas, das Joaquin Phoenix für die gleiche Rolle Jahre später ebenfalls durchmachte. Phoenix, der für seine Interpretation des Joker viel Lob bekam, vergaß nicht, an wen er dabei erinnern musste.

Heath Ledger mit seinem Freund und Kollegen Joaquin Phoenix

Bei den Screen Actors Guild Awards (SAG) gewann Joaquin Phoenix den Preis als bester Hauptdarsteller und bedankte sich bei Heath Ledger. Zunächst ehrte Phoenix die mit ihm Nominierten Leonardo DiCaprio („eine Inspiration der vergangenen 25 Jahre“) und Adam Driver („Du hast mich zutiefst bewegt“). Dann kam er auf Ledger zu sprechen: „In Wirklichkeit verdanke ich das der Arbeit meines Lieblingsschauspielers Heath Ledger“ („Really, I’m standing here on the shoulders of my favorite actor, Heath Ledger“).

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Ledger wollte damals, dass seine Leistung unberechenbar war. Um sich in den Joker einzuarbeiten, schloss sich der 28-Jährige einen Monat lang in ein Hotelzimmer ein und benutzte ein Tagebuch, um sich Notizen zu seiner Rolle als psychopathischer Schwerverbrecher und Gegenspieler Batmans zu machen. Ausschnitte aus diesem Tagebuch kann man in der Doku „Too Young to Die: Heath Ledger, Liebling der Götter“ (2013) sehen.

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Joker-Tagebuch von Heath Ledger: „Schwer zu lesen“

Ein Clip, der im Netz viral ging, zeigt Ledgers Vater Kim beim Blättern im Joker-Tagebuch. Man sieht Clownsmasken und wilde Notizen. Auf der letzten Seite prangt ein großes „BYE BYE“. Sein Vater sagte: „Es war schwer zu lesen.“ 2007 äußerte sich Heath Ledger zu seiner Vorbereitung und erzählte von der Entwicklung: „Ich saß für ungefähr einen Monat in einem Hotelzimmer in London rum, habe mich von der Außenwelt isoliert, ein Tagebuch geführt und mit Stimmen und Lachen experimentiert. Ich bin am Ende mehr im Reich eines Psychopathen gelandet – jemand mit sehr wenig bis gar keinem Gewissen. Der Joker ist einfach ein absoluter Soziopath, ein kaltblütiger-massenmordender Clown.“ Christopher Nolan sagte über seine Leistung:

„Vieles von dem, was Heath tat, diskutierte er mit mir. Er gab mir Hinweise darauf, was er vorhatte. Wir sprachen ein bisschen darüber und ich versuchte, ihm einen Adressaten zu geben, eine Art Gradmesser dafür, was er tat. Aber vieles davon hatte mit Unvorhersehbarkeit zu tun, und ich glaube, er wollte seine Karten nicht zu sehr offen legen.“

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Heath Ledger

Sorgen um Heath Ledger

Während der Dreharbeiten zu „The Dark Knight“ verschlimmerten sich Ledgers Krankheit und die Schlaflosigkeit. Menschen, die ihm nahe standen, begannen zunehmend damit, sich sorgen um den psychischen Zustand ihres Freundes, Sohns und Bruders zu machen. Seine Schwester Kate, zu der Heath Ledger ein enges Verhältnis pflegte, ist jedoch nicht der Meinung, dass diese Rolle bei seinem Tod ausschlaggebend war:

„Ehrlich gesagt war es das absolute Gegenteil. Er hatte einen erstaunlichen Sinn für Humor, und ich schätze, nur seine enge Familie und seine Freunde wussten das wirklich. Aber er hatte Spaß. Er war nicht deprimiert wegen des Jokers.“

https://www.youtube.com/watch?v=g3dl32LaOls

Kate war eine der letzten Personen, die mit Heath Ledger sprachen. Sie telefonierten in der Nacht, bevor er nach einer Kombination aus Oxycodon, Hydrocodon, Diazepam und Doxylamin tot aufgefunden wurde. Sie sagte, er habe während des Gespräches keine auffälligen Anzeichen von Depressionen gezeigt. Einen direkten Hinweis auf eine Selbstmordgefährdung konnte sie ebensowenig feststellen.

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Kein Selbstmord

Wie bei einer Tragödie wie dieser üblich, wird es vermutlich immer Spekulationen über die Überdosis geben, der Heath Ledger erlag. Bald nach der Bekanntmachung seines Todes kursierten allerlei Gerüchte, Hypothesen und Theorien darüber, wie es zur Überdosis kommen konnte. War es Absicht oder ein Versehen? Die meisten seiner Mitmenschen waren sich sicher, dass Ledger sich nicht absichtlich das Leben nahm. Sein Vater gibt seinem Sohn die Schuld an seinem eigenen Tod, glaubt aber nicht, dass es Selbstmord war:

„Es war ganz und gar seine Schuld. Es war die von niemandem sonst – er griff nach ihnen [den Pillen]. Er hat sie genommen. Sie können in dieser Situation niemand anderem die Schuld geben. Das ist schwer zu akzeptieren, weil ich ihn so sehr liebte und so stolz auf ihn war. Seine Schwester rief ihn am Abend davor an und sagte ihm, er solle die verschreibungspflichtigen Medikamente nicht zusammen mit den Schlaftabletten einnehmen. Er sagte: ‚Katie, Katie, es geht mir gut. Ich weiß, was ich tue.‘ Er hatte keine Ahnung gehabt.“

Heath Ledger im September 2006

Ledgers Vater verbrachte das letzte Jahrzehnt damit, Menschen vor den Gefahren verschreibungspflichtiger Pillen zu warnen. Ihn treibt an, anderen Familien den Schmerz zu bewahren, den er mit dem Rest der Ledgers erfahren musste, als ihr berühmtes Mitglied den Mitteln zum Opfer fiel.

Das Vermächtnis

Heute, mehr als ein Jahrzehnt nach seinem Tod, ist das Vermächtnis von Heath Ledger immer noch groß. Er gewann posthum einen Oscar für seine vielfach gefeierte Darstellung des Joker, seine weiteren Rollen und Personifizierungen gelten jeher als Highlights der Kino-Geschichte. Auch das Vermächtnis seiner Überdosis lebt in tragischer Form einerseits in der Arbeit seines Vaters weiter. Andererseits hat sie das Leben von Michelle Williams und ihrer gemeinsamen Tochter maßgeblich verändert. Williams scheint Frieden mit seinem tragischen Tod gefunden zu haben, auch wenn sie es vielleicht nie ganz verstehen wird. In einem Interview mit „Vanity Fair“ sagte sie:

„Auf seltsame Weise vermisse ich dieses Jahr, weil all die Möglichkeiten, die es damals gab, verschwunden sind. Es erschien mir nicht unwahrscheinlich, dass er durch eine Tür gehen oder hinter einem Busch erscheinen würde. Es war ein Jahr des sehr magischen Denkens, und in gewisser Weise bin ich traurig, mich immer weiter davon zu entfernen. […] Ich habe Bedeutungen in den Umständen rund herum gefunden, aber das eigentliche Ereignis selbst … Ich kann dafür keine Bedeutung finden.“

Michelle Williams und Heath Ledger

Kurz nachdem Ledgers Haushälterin die Leiche am 22. Januar 2008 entdeckt hatte, traf der Notarzt ein und begann mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Vergeblich. Die Spekulationen in den Medien über seinen möglichen illegalen Drogenkonsum verstärkten sich im Laufe der folgenden zwei Wochen, bis am 8. Februar 2008 das New York City Medical Examiner’s Office die Ergebnisse der toxikologischen Tests veröffentlichte, die an der Leiche durchgeführt worden waren. In dem Bericht hieß es, er sei an einem versehentlichen „Missbrauch von verschreibungspflichtigen Medikamenten“ gestorben. Nach Gedenkfeiern in New York und Los Angeles brachte Heath Ledgers Familie seinen Leichnam zurück in ihre Heimat Australien, wo er neben seinen Großeltern in seiner Heimatstadt begraben liegt.

Michael Caulfield Archive
Ron Wolfson WireImage
The Sydney Morning Herald Fairfax Media via Getty Images
Carlo Allegri Getty Images
Bruce Glikas FilmMagic
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