Taylor Swift: Ist „Showgirl“ ein Plagiat? Was die Expertensicht wirklich ergibt
Aktuell und relevant: Der „Showgirl“-Plagiat-Debatte begegnet ein Forensik-Experte mit einer fundierten Einordnung – inkl. Hinweis auf „Father Figure“. Jetzt reinklicken.
Taylor Swift veröffentlichte vergangene Woche ihr zwölftes Album „The Life of a Showgirl“. Schon innerhalb der ersten 24 Stunden bemerkten Hörer Ähnlichkeiten zwischen ihren neuen Songs und bereits existierenden Titeln anderer Künstler. Zunächst wirkten die Vergleiche harmlos. Doch bald wurden daraus Vorwürfe des musikalischen Plagiats. Im Fokus stehen unter anderem der Titelsong des Albums, der bissige Track „Actually Romantic“ und das von Travis Kelce inspirierte Stück „Wood“.
„Das Internet liebt es, zu ermitteln, nicht wahr?“, sagt der forensische Musikwissenschaftler und Professor am Berklee College of Music, Dr. Joe Bennett, im Gespräch mit Rolling Stone. „Aber Ähnlichkeit allein ist kein Beweis für Einfluss, geschweige denn für eine Urheberrechtsverletzung. Zufällige, teilweise Übereinstimmungen sind viel häufiger, als viele denken – tatsächliche Kopien dagegen wesentlich seltener.“
Bennett erklärt, dass Popmusik eine „eingeschränkte Kunstform“ sei, in der die meisten Songs „ein festes Tempo, einen begrenzten Tonhöhenumfang, eine stabile Grundtonart und wiederkehrende Akkordfolgen“ haben. Daher komme es zwangsläufig zu gelegentlichen Überschneidungen.
Nach der Welle von Online-Vergleichen zwischen Swifts neuen Liedern und älteren Stücken forderten einige Nutzer rechtliche Schritte zum Schutz der vermeintlich betroffenen Künstler. (Ein Sprecher von Swift lehnte eine Stellungnahme ab.) Dr. Bennett sieht jedoch in keinem der populären Fälle eine Grundlage für Klagen. Hier erläutert er, warum.
„The Life of a Showgirl“ vs. Jonas Brothers’ „Cool“
Für Dr. Bennett ist dieser Vergleich unbegründet. Beim genauen Hinhören werde deutlich, dass „die meisten Noten unterschiedlich sind und völlig andere Akkordfolgen verwendet werden“. Wahrscheinlich nehme das Publikum lediglich ähnliche Tonarten und Tempi wahr.
„Ich würde sie als objektiv unähnlich bezeichnen. Es ist durchaus möglich, dass zwei Songwriting-Teams unabhängig voneinander zu diesen melodischen Entscheidungen gekommen sind“, sagt Bennett. „Die meisten Noten basieren auf den ersten drei Stufen der Dur-Tonleiter – also do-re-mi. Solche melodischen Zufälle passieren.“
„Actually Romantic“ vs. Pixies’ „Where Is My Mind“
„Im Fall von Actually Romantic besteht die einzige Ähnlichkeit in der Akkordfolge (E C#m G# A) und der Tonart (E-Dur)“, erklärt Bennett. „Es gibt keine Übereinstimmungen in Melodie, Text oder anderen Kompositionsbestandteilen. Dennoch klingen Songs mit identischer Akkordfolge subjektiv ähnlich.“
Der Berklee-Professor weist darauf hin, dass diese Akkordfolge – I-vi-III-IV (1 Dur, 6 Moll, 3 Dur, 4 Dur) – zwar nicht sehr häufig, aber auch nicht einzigartig sei. „Neben den Pixies habe ich sie in Songs von Ellie Goulding, Arctic Monkeys, Demi Lovato und anderen gefunden. Taylor selbst verwendet häufig gängige Akkordfolgen, schafft daraus aber stets vollständig originelle Songs.“
„Wood“ vs. The Jackson 5’s „I Want You Back“
Diese Anschuldigung hält Dr. Bennett für die unbegründetste. „Jeder Funk-Gitarrist kennt solche Riffs“, sagt er. Zudem gebe es zahlreiche populäre Songs aus der Hochphase von Disco und Funk, die dieselben Produktionselemente und musikalischen Motive nutzen, aus denen Swift und ihre Co-Produzenten Max Martin und Shellback schöpften – etwa „September“ oder „Shining Star“ von Earth, Wind & Fire, Michael Jacksons „Don’t Stop ’Til You Get Enough“, „Jive Talkin’“ von den Bee Gees oder „Boogie Oogie Oogie“ von Taste of Honey.
Wie bei den anderen Fällen sieht Bennett keinen Anlass, Swift zusätzliche Interpolations-Credits hinzuzufügen. „Sie nutzt lediglich gängige musikalische Elemente und spielt mit Produktionstropen“, erklärt er. „Wenn Taylor sich entscheidet, Werke anderer Künstler zu interpolieren, tut sie das bewusst und mit entsprechender Anerkennung – siehe ‚Look What You Made Me Do‘ und ‚Father Figure‘.“