US-Songwriter Burt Bacharach mit 94 Jahren gestorben

Bacharach, der mit Jazz und Klassik und nicht mit Rock'n'Roll aufwuchs, brachte eine Ebene melodischer Raffinesse und Romantik in die Hitparaden

Burt Bacharach, der Komponist und Bandleader, dessen elegante Melodien jahrzehntelang das Popradio dominierten, ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Seine Pressesprecherin Tina Brausam bestätigte der Presseagentur Associated Press, dass der Songwriter am Mittwoch, den 8. Februar, in seinem Haus in Los Angeles eines natürlichen Todes gestorben ist.

Während seiner Blütezeit in den Sechzigerjahren schrieb Bacharach – zusammen mit seinem frühesten und produktivsten Partner Hal David – Songs, die sowohl zu Hits als auch zu Standards wurden. Zu ihren vielen Klassikern gehören „(They Long to Be) Close to You“, „I Say a Little Prayer“, „The Look of Love“, „Walk on By“, „Always Something There to Remind Me“ und „Raindrops Keep Fallin‘ on My Head“.

Bacharach, der mit Jazz und Klassik und nicht mit Rock’n’Roll aufwuchs, brachte eine Ebene melodischer Raffinesse und Romantik in die Hitparaden, in dem er unkonventionelle 5/4-Taktarten und Melodien, die sich nicht an den Standard des jambischen Pentameters hielten, nutzte. „Ungewöhnliche Taktstriche, ungewöhnliche Taktarten, Dinge, die Musiker im Studio nicht spielen konnten, als wir aufnahmen“, sagte Bacharach 1979. „Ich bin immer stromaufwärts geschwommen und habe Regeln gebrochen.“

Die Songs, so schrieb ein Kritiker 1968, seien „zu alt für die Marihuana-Generation und zu jung für Joggingkurse“, doch der Bacharach-David-Moloch (und spätere Bacharach-Songs, die er gemeinsam mit seiner Frau, der Songwriterin Carole Bayer Sager, geschrieben hat) kamen problemlos ins Radio und beeinflussten spätere Songwriter wie Elvis Costello. „Er ist wahrscheinlich einer der wenigen Komponisten der Popmusik, die eine eigene Sprache haben“, sagte Costello einmal über Bacharach. „Diese Leute bevorzugen bestimmte Harmonien und Intervalle und bestimmte Voicings, und man merkt, dass diese Dinge zu ihnen gehören. Es ist ihr Stil.“

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Bacharach war jedoch nicht nur ein Akteur hinter den Kulissen. Mit seinem rauen, aber guten Aussehen und seinen blauen Augen wurde er selbst zu einer bekannten Marke – nahm eigene Alben mit Instrumentalversionen seiner Hits auf und heiratete 1965 die Schauspielerin Angie Dickinson.

Bacharach wurde am 12. Mai 1928 in Kansas City, Missouri, als Sohn des Zeitungskolumnisten Bert Bacharach und der Künstlerin Irma Freeman geboren. Dank der Arbeit seines Vaters zog die Familie nach Forest Hills in New York. Bacharach gab später zu, dass er gerne Sportler geworden wäre und den von seiner Mutter geforderten Klavierunterricht „hasste“. Aber nachdem er Ravels Suite „Daphnis et Chloe“ gehört und sich mit einem gefälschten Ausweis in Jazzclubs in Manhattan geschlichen hatte, war seine Berufswahl gefestigt. In den Clubs hörte er Künstler wie Dizzy Gillespie und Miles David.  „Sie zu hören“, sagte er 1998 über diese Jazz-Acts, „war wie ein Fenster, das sich öffnete.“

Bacharach schrieb sich an der McGill University in Kanada ein, wo er Musik studierte und seinen ersten Song „The Night Plane to Heaven“ schrieb. 1950 begann Bacharach einen zweijährigen Einsatz in der Armee, wo er auf Stützpunkten Klavier spielte und als Bandleader und Begleiter fungierte. Seine professionelle Karriere begann nach der Militärzeit, als er als Arrangeur und Pianist für MOR-Popsänger wie Steve Lawrence und Vic Damone arbeitete. Ab 1958 wurde er Bandleader und Dirigent für die zurückgezogen lebende Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich, eine Rolle, die er sechs Jahre lang mit Unterbrechungen ausübte.

Unmittelbar vor seiner Zeit bei der Dietrich lernte Bacharach David kennen, einen etablierten, sanftmütigen Texter, der sieben Jahre älter war als er. Die beiden begannen, gemeinsam Songs zu schreiben. „Man konnte hingehen und einem Verleger einen Song vorspielen“, erinnerte sich Bacharach, „und dann sagte er: ,Der gefällt mir nicht‘, und dann ging man den Flur hinunter.“ Die beiden produzierten zahlreiche Songs, bevor sie schließlich mit „The Story of My Life“ für Marty Robbins (1957) und „Magic Moments“ für Perry Como (1958) die Charts stürmten. 1961 landete Bacharach seinen bis dahin größten Pop-Hit mit „Baby, It’s You“, der von den Shirelles aufgenommen wurde.

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Während seiner Arbeit mit den Drifters lernte Bacharach die in Jersey geborene Gospel- und Popsängerin Dionne Warwick kennen. „Nach der ersten Probe kam Burt auf mich zu und fragte mich, ob ich einige Demo-Aufnahmen von Songs machen könnte, die er geschrieben hatte“, sagte Warwick später.

„Schon als ich Dionne das erste Mal sah, fand ich, dass sie eine ganz besondere Art von Anmut und Eleganz hatte“, sagte Bacharach 2013. „Sie hatte wirklich hohe Wangenknochen und lange Beine, und sie trug Turnschuhe, und ihr Haar war zu Zöpfen gebunden. Je mehr Hal und ich mit ihr arbeiteten, desto mehr sahen wir, was sie tun konnte. Dionne konnte so hoch singen, und sie konnte so tief singen.“

Diese Demos gelangten zu Scepter Records, die Warwick unter Vertrag nahmen, und ihre erste Single „Don’t Make Me Over“ markierte den Beginn einer bemerkenswerten Verbindung von Warwicks geschmeidiger Stimme, Bacharachs komplexen Melodien und Davids gesprächigen Texten. Spätere Singles wie das verspielte „I Say a Little Prayer“ und das Bossa-Nova-inspirierte „Walk on By“ erreichten beide die Top 10 der US-Charts. Bacharach sagte allerdings, er bevorzuge Aretha Franklins Version von „I Say a Little Prayer“. Dennoch, das waren nur einige der glorreichen Pop-Platten, die aus diesem Trio hervorgingen, zu denen auch „Anyone Who Had a Heart“, „Message to Michael“, „Do You Know the Way to San Jose“, „Promises, Promises“, „Alfie“, „I Just Don’t Know What to Do with Myself“ und „I’ll Never Fall in Love Again“ gehörten, die alle die US-Top 40 oder Top 10 erreichten.

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Diese Flut von Hits – jeder einzelne eine perfekt ausgearbeitete, erhabene Popsingle – hätte Bacharachs Vermächtnis allein schon zementiert. Aber in derselben Zeit waren er und David auch mit B. J. Thomas („Raindrops Keep Fallin‘ on My Head“), Herb Albert („This Guy’s in Love with You“), den Carpenters („[They Long to Be] Close to You“), Dusty Springfield („The Look of Love“), Jackie DeShannon („What the World Needs Now Is Love“) und der Fifth Dimension („One Less Bell to Answer“) in den Charts vertreten.

Bacharachs Songs gingen dem Rock’n’Roll der damaligen Zeit gegen den Strich, aber das schien ihn nicht zu stören. „Wenn ein Song wie ,Alfie‘ es auf beide Seiten schafft, ist das eine große Befriedigung. Man hat echte Erwachsene, die es kaufen. Meine Mutter und mein Vater würden nicht einmal daran denken, es abzustellen. Und Kinder im Alter von 14 Jahren kaufen es auch“, sagte er 1968.

Mitte der siebziger Jahre endete Bacharachs Erfolgssträhne. Er und David stritten sich während der Dreharbeiten zu „Lost Horizon“, einer groß angelegten Neuverfilmung mit ihren Songs. Bacharach forderte damals einen größeren Anteil an den Tantiemen. Der Film floppte und der Misserfolg an den Kinokassen hatte auch Auswirkungen auf Bacharach. „Ich wollte einfach nur aus der Stadt verschwinden“, sagte er. „Ich wollte mich in Del Mar verstecken, nicht mehr schreiben und einfach jeden Tag Tennis spielen. Aber mein Anwalt sagte mir: ,Hey, weißt du, du wirst mit deiner Verpflichtung gegenüber Hal, für Dionne zu schreiben, in Schwierigkeiten geraten.‘ Und ich habe seinen Rat einfach ignoriert – sehr schlecht.“ Warwick verklagte auch Bacharach und David, weil sie es versäumt hatten, weitere Alben mit ihr aufzunehmen.

Das Aufkommen von Disco und Punk ließ Bacharachs elegante Songkunst wie ein Relikt aus einer anderen Zeit erscheinen. Doch allmählich kam Bacharach mit Hilfe neuer Mitarbeiter zurück. Mit der Texterin und Sängerin Carole Bayer Sager kehrte er mit Christopher Cross und dem Song „Arthur’s Theme (Best That You Can Do)“ in die Charts zurück. Der Song gewann auch den Oscar für den besten Song. Es folgten Hits für Warwick, wie „That’s What Friends Are For“, „Heartlight“ von Neil Diamond und „On My Own“ von Patti Labelle und Michael McDonald.

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Ab den Neunzigerjahren wurde Bacharach neu gewürdigt. Er arbeitete mit Costello an „God Give Me Strength“ für den Film „Grace of My Heart“ von 1996, zwei Jahre später folgte das Album „Painted from Memory“. Costello sagte später, sein frühes Demo von „God Give Me Strength“ Bacharach vorzuspielen, sei „wahrscheinlich einer der nervenaufreibendsten Songs gewesen, die ich je machen musste“. Noel Gallagher gab zu, dass „Half the World Away“ von Oasis stark von „This Guy’s in Love With You“ inspiriert war. Bachrachs Album „At This Time“ aus dem Jahr 2005 enthielt Kooperationen mit Costello, Dr. Dre und Rufus Wainwright. Im Jahr 2012 wurde er vom damaligen Präsidenten Barack Obama mit dem Gershwin-Preis der Library of Congress ausgezeichnet. Im Jahr 2020 unterzeichnete er einen lukrativen Verlagsvertrag mit Primary Wave.

Seine Ehe mit Dickinson wurde 1980 geschieden, ebenso wie seine Ehe mit Bayer Sager im Jahr 1991. Nikki, seine Tochter aus der Ehe, litt unter gesundheitlichen und psychischen Problemen und beging 2007 Suizid. Hal David starb im Jahr 2012.

„All diese so genannten Abnormitäten erschienen mir völlig normal“, schrieb Bacharach in den Liner Notes zu einer 1998 erschienenen Box. „Am Anfang sagten die A&R-Leute: ,Dazu kann man nicht tanzen‘ oder ,Dieser Dreier-Takt muss in einen Vierer-Takt geändert werden.‘ Ich habe darauf gehört und am Ende einige gute Songs ruiniert. Ich habe immer daran geglaubt, dass die Leute einen Weg finden werden, sich dazu zu bewegen, wenn es eine gute Melodie ist.“

Aus dem Amerikanischen übersetzt, erstmals veröffentlicht auf rollingstone.com

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