Alles an Jahrhundert-Sänger Otis Redding war groß

Gitarrist Steve Cropper erklärt exklusiv für ROLLING STONE, warum Otis Redding einer der größten Sänger aller Zeiten ist.

Wir sahen Otis 1964 das erste Mal. Er war der Fahrer von Johnny Jenkins and the Pinetoppers aus Macon, Georgia. Sie hatten einen kleinen Hit mit „Love Twist“, einem Instrumental, und wollten mit meiner Band Booker T. & The MGs die Nachfolgesingle aufnehmen. Ich sah diesen großen Kerl, der ausstieg, zum Heck des Busses ging und das Equipment auszuladen begann. Das war Otis. Und wir hatten keine Ahnung, dass er auch Sänger war. Damals hatten die Instrumental-Bands immer einen Sänger dabei, damit sie die Hits aus dem Radio spielen konnten, zu denen die Kids tanzen wollten.

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Am Ende der Session hatten wir noch ein paar Minuten Zeit, und Al Jackson, unser Schlagzeuger, sagte: „Der Typ, den Johnny dabei hat – er will uns mal vorsingen.“ Booker hatte sich schon verabschiedet, also setzte ich mich ans Klavier. Ich spiele nicht besonders. Otis sagte: „Spiel einfach so dieses Kirchendings.“ Er meinte Triolen. Ich sagte: „Welche Tonart?“ Er sagte: „Egal.“ Dann fing er an zu singen, „These Arms Of Mine“. Und ich kriegte eine Gänsehaut. Jim (Stewart, Mitbesitzer von Stax) kam reingerannt und schrie: „Das ist es! Das ist es! Wo sind denn alle? Wir müssen das aufnehmen!“ Also schnappte ich sämtliche Musiker, die noch nicht zu ihren Abend-Gigs aufgebrochen waren, und wir nahmen an Ort und Stelle auf. Wenn man etwas hört, was besser ist als alles, was man je zuvor gehört hat, dann weiß man das. Und wir stimmten alle darin überein, dass wir es hier mit etwas Besonderem zu tun hatten.

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Sanft wie Sam Cooke und harsch wie Little Richard

Wir spielten das Band hinterher fast kaputt. „These Arms Of Mine“ wurde Otis Reddings erste Hitsingle – die erste von 17 in Folge. Otis war sanft wie Sam Cooke und harsch wie Little Richard und ein ganz eigenständiger Typ. Es machte auch Spaß, mit ihm zusammen zu sein – immer hundertprozentig voller Energie. So viele Sänger damals waren – bei allem Respekt – einfach schon zu lange im Geschäft. Frustriert und verbittert, weil man sie immer schlecht behandelt hatte. Otis war nicht so. Ich hab noch nie jemanden getroffen, der so überhaupt keine Vorurteile hatte. Alles an ihm war groß: sein Körper, sein Talent, die Klugheit, mit der er andere sah. Nach seinem Tod stellte ich erstaunt fest, dass wir gleich alt waren. All die Jahre hatte ich immer zu ihm aufgesehen wie zu einem großen Bruder.

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Als ich mit Otis zusammenarbeitete, war es mein Job, ihm dabei zu helfen, seine Songs fertig zu kriegen. Er hatte so viele Ideen – da musste ich mir nur eine rauspicken und sagen: „Lass uns das machen!“ Und wir arbeiteten fast jede Nacht. „I Can’t Turn You Loose“ bestand aus einem Riff, das ich bereits auf einigen Stücken der MGs verwendet hatte. Otis hatte es binnen zehn Minuten mit ein paar Bläsern versehen. Ein Riff und eine Strophe, die Otis immer und immer wieder singt. Das ist alles. Bei ihm ging es ausschließlich um Gefühl und Ausdruck.

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Otis fehlt mir. Ich vermisse ihn heute noch genauso, wie kurz nachdem wir ihn verloren hatten. Ich war mal an dem See in Madison, Wisconsin, wo die Gedenk-Plakette ist. Die beste Erklärung, die ich gelesen habe, war, dass sein Flugzeug die Landebahn verpasste und über dem See kreisen musste – und dann vereisten die Tragflächen. Das war am 10. Dezember 1967. Ich habe seither große Schwierigkeiten, seine Musik zu hören. Da kommen zu viele Erinnerungen hoch – und nur gute, bis auf die letzte.

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