Jazz von Seckendorff

Wie wanne Semmeln mit Shawarma (Döner ä la Libanon) geht er weg, der Ethno-Jazz des Oud-Virtuosen RABIH ABOU-KHALIL. Was den Mann der arabischen Laute allerdings bewogen hat, sich mit den Pop-erfahrenen Klassikern des BALANESCU QUARTET zusammenzutun, fragt sich, wer je ein orientalisches Streicher-Ensemble gehört hat. Der Avantgarde-Vierer klingt vergleichsweise steif. Dem „Arabian Waltz“ (ENJA) fehlt die Improvisationsfreude seiner Vorgänger. Dennoch kann der geniale Tubaspieler Michel Godard mal wieder beweisen, daß er viel mehr ist als nur Bassisten-Ersatz. 3,0

Tubisten zuhauf von Bob Stewart bis Earl Mclntyre hat HOWARD JOHNSON für sein Projekt „Gravity“ (Verve) um sich geschart. Resultat: prächtig swingende Tieftonstapelei, stark an den Grooves von New Orleans orientiert. 3,5

Der Anspruch, den Jazz grundsätzlich ein Stück weiter zu bringen, ist eher bei HERBIE HANCOCK und „The New Standard“ (Verve) zu vermuten. Mit lieblosem Live-Lärm der Marke HipHop hat er Sympathien verspielt. Nun setzt er ganz auf akustischen Jazz – und auf Popsongs. Ob Don Henley oder StevieWonder: Rauh und erstaunlich straight ahead klingen Michael Brecker und John Scofield. Prince goes „Cantaloupe“, Kurt Cobain und Peter Gabriel – für Improvisatoren „interessanter gemacht“ (Hancock): Heraus kam Jazz, der nicht nur wegen Jack Dejohnette und harscher Pianosoli das Prädikat „heftig“ verdient. 3,5

Auch an Reggae und Rap versucht sich der Saxophonist TEODROSS AVERY. Aber „My Generation“ (GRP) hat seine Stärken, wo Coltrane Pate stand. Mit dem Reggae z.B. können nur Drummer Greg Hutchinson und John Scofield etwas anfangen. Zwei weitere Gitarristen tragen dazu bei, daß die CD nicht zu konventionell gerät. 3,0

Neue Jazz-Wege abseits der Fusion hat der Trompeter aufgetan, dem es 1994 gelang, die Lücke im Promi-Vierer um Miles Davis zu füllen: Mit großen Namen kann „THE

WALLACE RONEY QUINTET“

(WEA) zwar nicht dienen, dafür aber mit puristentauglichen Statements, die nicht nur polyrhythmisch schillern, sondern auch harmonisch sehr vieldeutig sind. 4,0

Nach Miles klingt Mr. Roney eher, wenn er zu Gast ist bei BILL EVANS. Der knüpft mit „Escape“ (EFA) an sein Crossover-Projekt Push an. Mit „Swing Hop“ hat Rapper Ahmed Best einen scatstarken Einstieg. An den kommt Saxophonist Evans mit seinem Keyboard-Partner Jim Beard nur noch selten heran: zu viel Unverbindliches aus der Pop-Ecke, alles in allem nicht mehr als ganz nett. 2,5

Daß er keinen Jazz spiele, mag bei EGBERTO GISMONTI

für „ZigZag“ (ECM) zutreffen, wo Gitarren und der klassisch-brasilianische Einfluß von Heitor Villa-Lobos dominieren. 3,0

Als Pianist im Umfeld des Sextetts RAIZ DE PEDRA zeigt sich Gismonti eher schräg-verspielt als gediegen-impressionistisch: Das „Diario De Bordo“ (ENJA) strotzt vor Einfallen im Umgang mit Musik aus dem Süden Brasiliens. 3,5

Vergleichsweise wertkonservativ wirkt es, wenn sich der zum Romantischen neigende Trompeter TERENCE BLANCHARD für „The Heart Speaks“ mit Ivan Lins zusammentut, um sich ganz Kompositionen dieses legendären Brasilianers zu widmen: musikgewordene Sehnsucht, Jazz-betont bei den instrumentalen Titeln. 3,0

Romantik liegt dem Gitarristen Bill Frisell nicht fern, wenn auch eher die Country-Variante. Mit „THE PAUL MOTION TRIO LIVEAT THE VILLACE VANGUARD“ (JMT) zeigt er sich gewohnt vielseitig: rockig, lyrisch, avantgardistisch. Der Drummer Paul Motian setzt auf Pulse und Sound-Raffinesse; der Saxophonist Joe Lovano bleibt dem Jazz am engsten verbunden – aber auch er geht stets spannend mit der Freiheit um, die für dieses sensible Trio so charakteristisch ist. 4,0

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