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„Eleanor Rigby“ von den Beatles: Meditation über Altern und Einsamkeit

Wie Paul McCartney auf den Namen seiner Protagonistin stieß, ließ sich nie eindeutig klären. Noch verworrener ist die Frage, wie der Song überhaupt entstand.

Als McCartney den Song erstmals seinem Nachbarn Donovan vorspielte, lautete die erste Textzeile noch: „Ola Na Tungee/ Blowing his mind in the dark/ With a pipe full of clay“. McCartney tüftelte so lange an der Zeile, bis er eine akzeptable Alternative gefunden hatte: „… picks up the rice in the church where a wedding has been“.

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Erst zu diesem Zeitpunkt wurde ihm klar, dass der Song von einsamen Menschen handeln würde. Er erfand eine alternde Jungfer und einen Priester und beschrieb, wie sich ihrer beider Leben an ihrem Begräbnis überschneiden.

Eleanor Rigby und der Grabstein

Wie McCartney auf den Namen seiner Protagonistin stieß, ließ sich nie eindeutig klären. Laut McCartney nahm er den Vornamen von Eleanor Bron, der Hauptdarstellerin in „Help!“, und den Nachnamen von einem Firmenschild, das er in Bristol gesehen hatte: Rigby & Evans Ltd., Wine and Spirit Shippers. Lionel Bart, der Komponist des Musicals „Oliver!“, behauptet indes, er sei mit McCartney über einen Londoner Friedhof gegangen, als sie auf einem Grabstein „Eleanor Bygraves“ lasen. McCartney habe behauptet, dass er diesen Namen für einen neuen Song nutzen wolle.

Grab von Eleanor Rigby

Paradoxerweise wurde in den 80er Jahren der Grabstein einer „Eleanor Rigby“ gefunden, der sich im Friedhof von St. Peter in Woolton befand – also nur ein paar Schritte entfernt von dem Ort, wo sich Lennon und McCartney nach einem Auftritt von Lennons Quarry Men kennengelernt hatten. „Es muss entweder ein krasser Zufall sein“, so McCartney, „oder irgendwo in meinem Unterbewusstsein geschlummert haben.“

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Nachdem McCartney die Melodie in Jane Ashers Apartment fertiggestellt hatte, trommelte er Lennon, Harrison, Starr und Lennons Jugendfreund Pete Shotton zusammen, um an dem unvollendeten Text zu feilen. An einige Resultate können sich alle Beteiligten erinnern: dass der Priester zunächst „Father McCartney“ hieß, bis sie im Telefonbuch auf einen „McKenzie“ stießen; dass Starr die Zeile „darning his socks in the night“ beisteuerte – und dass es Shottons Idee war, den Text mit einem Begräbnis abzuschließen, bei dem sich die Wege der Protagonisten kreuzen.

Grab von Eleanor Rigby

Von welchem Beatle stammt „Eleanor Rigby“?

Darüber hinaus gibt es aber gravierend unterschiedliche Darstellungen über die Entstehung des Songs. „Die erste Zeile kam von ihm“, sagte Lennon 1980 dem Journalisten David Sheff, „und der Rest überwiegend von mir. Es war Pauls Baby, aber ich habe bei der Erziehung des Kindes geholfen.“ McCartney dagegen ist sich sicher, dass „John mit ein paar Worten geholfen hat, dass es aber 80:20 auf meinem Mist gewachsen ist“.

Keiner der Beatles ist instrumental auf der Aufnahme vertreten. McCartney singt die Lead-Vocals, während Lennon und Harrison den Harmoniegesang übernehmen. Die Musik stammt von zwei Streich-Quartetten, die von George Martin arrangiert wurden. „Paul war zunächst von dem Vorschlag wenig begeistert“, so Ton-Ingenieur Geoff Emerick. „Er glaubte, dass der Sound abstoßend und unpassend sein würde.“


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Als er schließlich doch zustimmte, bestand er darauf, dass die Streicher „Biss“ haben müssten. Emerick versuchte daraufhin, genau den Klang einzufangen, der beim Aufsetzen des Bogens auf der Saite entsteht. Statt das Oktett mit nur einem Mikro aufzunehmen, platzierte er je eins direkt an jedem Instrument – und erzielte so eine Präsenz, die in der Aufnahmetechnik, ob Klassik oder Rock, bislang ungehört war. „Die Musiker hassten es, dass ich mit dem Mikro so nah ranging, weil sie Angst hatten, man könne dann ihre individuellen Fehler hören.“

Reifung zum ernsthaften Musiker

Die Meditation über Altern und Einsamkeit sollte für den Songschreiber McCartney ein wichtiger Einschnitt werden. In späteren Jahren erzählte er, dass er beim Schreiben von „Eleanor Rigby“ darüber nachdachte, wie wohl seine Musik klingen würde, wenn das Kapitel Beatles einmal abgeschlossen sei. „Dies könnte ein gangbarer Weg sein“, erinnerte er sich. „Ich sah mich selbst in einer Fischgrät-Jacke mit den Lederflicken am Ellenbogen, dazu eine Pfeife. Ich würde ein ernsthafter Komponist sein, kein Pop-Schreiber mehr. „

Jim Dyson Getty Images
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