Bilder einer Ausstellung

Die feine Unterscheidung können wir Leser und Hörer zwar nicht leisten, aber: Falls die drei Namen Britney Spears, Amy Winehouse und Pete Doherty am Ende eines langen Jahres beim einen oder anderen schreckliche Nervenschmerzen auslösen, dann liegt das wahrscheinlich nicht an den Typen selbst, ihren Eulenspiegeleien oder gar ihrer Musik. Es ist die Berichterstattung über Dohertys Drogen, Britneys Sorgerecht und Amys Selbstverstümmelung, die uns so auf den Wecker geht. Die Wiederholung, die Redundanz, das Mühsame und Bemühte.

Vielleicht auch die Doppelmoral, die man in dem Zusammenhang unweigerlich spürt: weil die Medien – ohne die wir nicht mal von der Existenz der Amy Winehouse wüssten – gezwungen sind, das Treiben zu verurteilen. Auch dann, wenn der lüsterne Blick und die verkaufsfördernde Platzierung der Skandale nur allzu deutlich sind. Den Abschuss leistete sich eine deutsche Illustrierte, die ein missglücktes Mini-Interview mit Winehouse zur besorgten Titelgeschichte aufstockte und sich nicht entblödete, andere Zeitungen für ihre sensationsgeilen Winehouse-Reportagen zu rügen.

Ja, das gilt selbstverständlich auch für diesen Artikel hier. Aber wir sind gleich fertig.

Was am Bildschirm bei den Münchner „MTV Europe Music Awards“ am auffälligsten war, wurde nirgends berichtet: dass Nicole Scherzinger und Nelly Furtado die mit Abstand beklopptesten Personen sind, die die vordere Reihe des Musikbusiness derzeit zu bieten hat. Doherty und seine Babyshambles waren Gold dagegen -wie sie auf dem roten Teppich den Moderator als Lügner bezeichneten, als er meinte, alle freuten sich auf ihren Auftritt, und wie zynisch sie ihren Song dem feindschaftlichen Publikum hinknallten.

Ebenso Amy Winehouse, die so genervt sang, als hörte sie nebenher ihre Mobilbox ab. Es war wie bei Britney Spears, die kurz davor bei den Video-Awards ihre legendäre Schluder-Skigymnastik-Performance hingelegt hatte: Gerne prangern die Leute die Automatenhaftigkeit heutiger Popshows an. Wenn aber tatsächlich mal ein Künstler dieses System unterläuft – aus welchen Gründen auch immer-, wird er von denselben Leuten als Versager tituliert. Die Castingshows haben auf ihre Zuschauer abgefärbt.

Natürlich wünschen wir uns inniglich, dass der Auftritt misslingt, dass irgendjemand zum Kotzen von der Bühne rennt, dass nicht alles immer nur glatt läuft und wir dabei nicht den Eindruck kriegen, das sei so einstudiert wie damals die Sache mit Janet Jacksons Brust. Der Voyeurismusbedarf, den der Rock’n’Roll schon seit den 70er Jahren nicht mehr gescheit deckt, ist immer noch da.

Deutlich spüren konnte man das beispielsweise, als die Plattenfirma von Amy Winehouse Anfang des Jahres in Berlin eine Pre-Release-Party gab, computeranimierte Whiskeyflaschen durch den Raum fliegen ließ, Amys angeblichen Lieblings-Hammercocktail ausschenkte und ein Online-Spiel vorstellte, in dem man die kleine Comic-Winehouse mit Alkohol abfüllen soll.

Geht’s noch deskriptiver? Das anschließende Konzert der Künstlerinwar indes eine steife, unbesoffen perfekte Angelegenheit. Das schlechte Gewissen, das man bekommt, weil man sich heimlich gewünscht hat, Amy Winehouse würde das Mikro umwerfen — vielleicht ist ja auch das der Grund, warum wir sie lieber nicht mehr sehen wollen.

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