Unkopierbar gut: Element Of Crime auf Tournee in Berlin

Fünf Konzerte in fünf Locations, von klein nach groß, vom Privatclub bis zur Zitadelle Spandau: Element of Crime bespielen Berlin. Ein Konzertbericht.

„Wir sind alleine/ Und wir sind zwei/ Wir haben alles, was wir brauchen, dabei/ Und das ist gut, denn die Zeiten werden wilder“. Es ist der perfekte Beginn für ein Konzert von Element Of Crime, auch wenn die ja eigentlich zu sechst sind auf der Bühne. Sie haben auf jeden Fall alles dabei, was man braucht, um glücklich zu sein trotz allem. Gleich fünfmal treten sie in dieser Woche in Berlin auf, um genug Material zu sammeln für einen Dokumentarfilm, den Charly Hübner über die Band dreht. Die Kameras sind in allen Ecken und an der Decke, und es scheint, als bewege sich Sven Regener jetzt etwas mehr, um ihnen ein bisschen was zu bieten. Zwischen dem herrlichen Trompetenspiel und Gesang beschränkt sich das auf Mit-den-Armen-Wedeln, Hände-Hochreißen und Kleine-Ausfallschritte-Machen, und das ist völlig okay. Wir sind nicht hier für die Show, wir sind hier für die Musik.

Sie fangen im kleinen Privatclub vor 250 Leuten an, wo das Wasser von den Wänden läuft, im Lido ist es ähnlich heiß, im SO36 fällt dann sogar jemand um, das kann auch die Euphorie gewesen sein. Im Admiralspalast geht es etwas gesitteter zu, dafür ist dort das Bühnenlicht spektakulär, und in der Zitadelle Spandau spielen sie in den Sonnenuntergang hinein.

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Die Orte steigern sich also von klein nach groß, doch die Band tangiert das kaum. Sie sind ihre eigene Welt, sobald die drei Männer zusammenkommen, die ihren Kern bilden. Nichts gegen Saxofon, Akkordeon und Bass, wichtig für die Atmosphäre, aber unentbehrlich sind hier neben Regener natürlich Gitarrist Jakob Ilja und Schlagzeuger Richard Pappik. Die beiden werden oft unterschätzt, weil das Hauptaugenmerk auf dem Sänger/Texter liegt, dabei wäre das ohne sie alles nichts. Seit Charlie Watts tot ist, sitzt niemand so elegant hinterm Schlagzeug wie Pappik, der das Fundament liefert und es niemals nötig hat, sich wichtigzutun. Für „Vier Stunden vor Elbe 1“ kommt er einmal mit der Mundharmonika nach vorne, verschwindet beim Applaus allerdings schon wieder im Halbdunkel. Ilja hat für jedes Stück die richtigen, gleichzeitig mächtigen und doch unaufdringlichen Gitarrensounds, und manchmal, wenn er ins Publikum lächelt, hofft man, er weiß das.

Sie sind keine Typen für Greatest-Hits-Getingel oder Jubiläums-Veranstaltungen

Nun wäre es für Element Of Crime leicht, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Es gibt so viel Vergangenheit. Doch sie sind keine Typen für Greatest-Hits-Getingel oder Jubiläums-Veranstaltungen. Die Gemütlichkeit, die ihnen manchmal vorgeworfen wird, weil ihre Lieder sich nach fast 40 Jahren etwas ähneln, ist auf der Bühne nicht zu spüren. Hier liegt wohl ein generelles Missverständnis vor (das wir ja von AC/DC kennen): Der Sound von Element Of Crime ist einfach so einzigartig, dass sie immer sofort zu erkennen sind und es keine Epigonen gibt. Sie bleiben unkopierbar. Welche andere deutsche Band kann das von sich sagen?

Jeden Abend gibt es neun Lieder vom neuen Album „Morgens um vier“ – das ist schon mal mehr als ein Drittel der Setlist, und alle werden genauso gefeiert wie die Klassiker. Zu „Dann kommst du wieder“ wird Tobias Bamborschke von Isolation Berlin auf die Bühne gebeten, später dazu noch Florian Horvath für den Chor zu „Immer nur geliebt“. (Campino sitzt im Admiralspalast nur im Publikum. Das wäre ein interessantes Duett geworden, ich hätte „Wer ich wirklich bin“ vorgeschlagen.)

Natürlich geht es dann doch nicht ohne das für alle Ewigkeit allerallerbeste „Weißes Papier“, das überraschend nicht als Zugabe kommt, sondern mittendrin, und auch „Und du wartest“ und „Draußen hinterm Fenster“ haben nichts von ihrem Zauber verloren, und kurz vor Schluss hauen sie noch „Geh doch hin“ raus. Zwischendurch rehabilitiert Regener das selten gewordene Wort „Zausel“ und Johannes Mario Simmel, in den Songtexten ist die Dichte an Schweinen und Idioten gewohnt hoch, es ist ein einziges Fest. Für Menschen, die wissen, was Sehnsucht ist, kann es keine bewegendere Musik geben. Für alle, die darauf warten, dass jemand ihr Herz repariert, sind das Abende, an denen das machbar scheint.

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Die Konzerte enden mit „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“. Alle lächeln versonnen, als Regener davon singt, dass die Steine aus der Spree auch noch zum Weinen gebracht werden. Gut möglich bei Element Of Crime. Es ist immer noch zu warm, wenn man danach die Straße betritt, und doch sieht die Stadt auf einmal viel schöner aus. Der Schmutz scheint zu glitzern, die Sterne leuchten den Weg, die Leute taumeln ohne Arg vor sich hin. Zumindest bis zur nächsten Ecke.

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