Birgit Schrowange: Sexuelle Belästigung auf dem Lerchenberg

Legendäre Moderatorin berichtet über ihren frühen #MeToo-Fall im deutschen Biederfernsehen

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Das Zweite Deutsche Fernsehen in Mainz galt Mitte der 1980er-Jahre nicht unbedingt als Hotspot der Verruchtheit. Und auch die Nachmittags-Talkshow „Wiedersehen Macht Freude“ war nicht unbedingt für Hollywood-mäßige Ausschweifungen bekannt.

Und doch berichtet Programmansagerin und Moderatorin Birgit Schrowange, heute 67, in einem Podcast der „Bild“ von sexuellen Anwandlungen eines früheren Vorgesetzten beim ZDF. Auf die wiederholte Belästigung wäre dann ein gezieltes Mobbing erfolgt.

Der inzwischen verstorbene Drängler hätte in jener Zeit bereits eine Affäre mit einer Kollegin gehabt. Und dann aber Interesse an ihr gezeigt, dem gerade vom WDR gewechselten Jung-Talent. „Er wollte mich dann gegen sie eintauschen, aber das wollte ich nicht“, so Schrowange. „Als ich nicht auf seine Avancen einging, machte er mir das Leben zur Hölle. Bis ich mich beim Intendanten über ihn beschwerte. Das war keine einfache Zeit, aber ich stand es durch“

Birgit Schrowange – einer der ersten weiblichen Popstars des „Normalo-TV“

Der zurückgewiesene Belästiger hätte Schrowange seinerzeit ohne weitere Erklärung aus dem Dienstplan gestrichen. Oder aus ihrem Postfach wichtige Memos genommen, so dass wichtige Anfragen für Moderations-Jobs verschwunden sind.

Schrowange, die von 1998 bis 2006 mit ihrem Talkshow-Kollegen Markus Lanz liiert war, galt als einer der ersten weiblichen Popstars des „Normalo-TV“. Besonders als ihr späterer Haussender RTL die Öffentlich-Rechtliche Szene aufmischte. „Damals fing ich an, viel Geld zu verdienen. Die Jahre zuvor waren wir Ansagerinnen zwar berühmt – aber arm“, erinnert sich Schrowange.

Als 20jährige Provinz-Sauerländerin kam sie zum WDR nach Köln. Dort fand sie schnell einen Chef-Unterstützer. „Er ließ mich Schulfernsehen machen, obwohl ich keine Ahnung hatte. Er sah Potenzial in mir, förderte mich. Ich hatte einfach großes Glück und war zur rechten Zeit am richtigen Ort“.

„Bis ich kam, waren alle Ansagerinnen blond und lieblich mit welliger Föhnfrisur“

Mit dem Wechsel zum ZDF machte sie einen neuen Typ TV-Persönlichkeit populär. „Bis ich kam, waren alle Ansagerinnen blond und lieblich mit welliger Föhnfrisur. Ich hatte dunkle Haare, trug sie oft streng nach hinten frisiert, als Bob oder Zopf. Ich war ein ganz neuer Typ Frau.«

Als sie dann im Herbst 1994 gegen den ausdrücklichen Rat ihres ZDF-„Hitparade“-Kollegen Dieter Thomas Heck zu RTL wechselte, prägte sie jahrelang das Magazin „Extra“. Kommentar der meisten Kollegen: „Bist du wahnsinnig? Nach einem Jahr bist du dort wieder weg vom Fenster.“ Dennoch galt sie dort Sugardaddy-mäßig als „das schönste Lächeln des Senders“.

Zu den Glamour-Produkten der deutschen TV-Historie gehört sicherlich auch Schrowanges gemeinsame Coverversion (zusammen mit Simone Thomalla) von Herbert Grönemeyers „Männer“ für die CD „Abenteuer – 20 Jahre Andrea Berg“…

Ralf Niemczyk schreibt freiberuflich unter anderem für ROLLING STONE. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.