Birnen statt Karotten

Die neuen Songs von Aqualung klingen fruchtiger als zuletzt - und Auto-Commercials sind nicht mehr dabei

Die Geschichte von Matt Haies alias Aqualung wurde schon oft erzählt: Der geübte Auftragsmusiker war Ende 2001 von einer Werbeagentur um einen Song gebeten worden – keinen Jingle, sondern einen richtigen Song, mit Authentizität und Integrität, wie die Werbung sie seit einiger Zeit einsetzt Haies, dessen Band The 45s in der Woche zuvor von der Plattenfirma geschasst worden war, ging eilig ein paar alte Demos durch, textete noch in derselben Nacht mit Frau Kim den Text zu Ende und freute sich auf 500 Pfund Pitch-Honorar. Der Song wurde dann aber die Tonkulisse einer internationalen Kampagne für den VW-Beetle, und aufgrund großer Publikumsnachfrage und vieler williger Plattenfirmen stellte Haies bald darauf unter dem Namen Aqualung sein Debütalbum in die Läden.

„Ich hatte von fern ein paar mal mitangesehen, wie ein Song oder eine Band plötzlich zu einem Selbstläufer wird, eine Art Schneeball, der jeden Tag größer wird und unausweichlich am Ende explodiert“, erinnert sich Haies. „Es war faszinierend, plötzlich selbst das Zentrum eines solchen Schneeballs zu sein. Wenn es mal losgeht, ist man kaum mehr als ein Zuschauer.“ Auch zwei Jahre nach der Lawine benimmt sich Haies ganz wie der Mann, den man hinter der Musik von Aqualung vermuten würde, zurückhaltend und freundlich also, mit viel British sophistication und untertriebener Selbstironie. Die neue Musik allerdings, die ist ein bisschen anders. „Die erste Platte war wie ein trockener Karottenkuchen, wie ihn früher die Kinder von Öko-Eltern mit in die Schule bekamen“, scherzt Haies, „mein zweites Album sollte fruchtiger werden.“

Wurde es. Auf „Still Life“ weichen die kargen Piano-Etüden richtigen Band-Arrangements, die Haies zum großen Teil nicht daheim im Keller, sondern in einem richtigen Studio aufnahm – gesungen wird noch immer durch die Flüstertüte. „Das Debüt war eine Compilation der besten Songs gewesen, die nie zu meinen Bands gepasst hatten. Nun wollte ich mir beweisen, dass ich auch ein zusammenhängendes Album schreiben kann.“ Das funktioniert wie ein Soundtrack für das Leben das Matt Haies: „Ich habe in den letzten zwei Jahren die schönsten, aber auch schlimmsten Momente meines Lebens erlebt“, erklärt er und verweist auf Ruhm und Bühne ebenso wie auf persönliche Tragödien und die nahe Geburt seines ersten Kindes. „Es war gut, während dieser Zeit Lieder zu schreiben, die mir unterwegs Gesellschaft leisten.“

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