„Black Celebration“ von Depeche Mode: Stachel im Samthandschuh

Wer ein Feuerwerk zündet, will feiern. Das Feuerwerk in „Stripped“ aber deutete etwas Anderes an.

Wer ein Feuerwerk zündet, will feiern. Das Feuerwerk in „Stripped“ aber deutete etwas Anderes an. Es klang tiefer, verzerrter, zeitlupenartig, wie die letzten Sekunden eines Lebens. Dave Gahan sang „Come with Me / Into The Trees“ und am Ende „Let me hear you crying / Just for me“.

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Die Plattenfirma hatte Depeche Mode davon abgeraten, „Stripped“ als Vorabsingle ihres Albums „Black Celebration“ auszukoppeln. Es kam ihnen zu düster vor und zu lauernd, es war auch recht langsam. Aber genau so wollten die vier Musiker wirken. Sänger Gahan in der Rolle eines Verführers, der eine „schwarze Messe“ feiert.

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Die Produzenten Gareth Jones und Daniel Miller nahmen vom Industrial-Sound des Vorgängers „Some Great Reward“ (1984) Abstand, die Maschinen Berlins, das Keuchen, Zischen und Eisenknallen war erstmal passé. Sie entwickelten einen neuartigen schlankeren Sound, der viel eleganter und gleichzeitig bösartiger war. „Black Celebration“ war ein Stachel, wie im Samthandschuh präsentiert.

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Es klang nach Palästen umringt von Feuersäulen, wie im Titelstück, es klang nach einem Walzer mit dem Teufel („Dressed in Black“) oder dem Spiel auf einer Orgel, deren Pfeifen aus Skeletten bestehen („It Doesn’t Matter Two“). Das Plattencover, rote Rosen wachsen auf ein Hochhaus zu, sah aus wie von Stephen Kings „Dunkler Turm“ entnommen. Und immer den Tod im Blick, der unsere Sicht aufs Leben bestimmt: „Death Is Everywhere / There Are Flies On The Windscreen / For A Start“. Und auch immer wieder über Songs verstreut zu hören: das Ticken einer Uhr. Die Zeit läuft ab.

Das Gefühl, das nur Teenager kennen

Stolz berichten Depeche Mode heute darüber, wie sie mit dieser Platte gegen Vorurteile ankämpfen mussten. Die dem Re-Release von 2007 beigefügte Dokumentation zitiert mit ihrem Titel Daniel Miller: „The Songs Aren’t Good Enough, There Aren’t Any Singles And It’ll Never Get Played On The Radio“. Zu Millers Verteidigung muss man anführen, dass er sein Urteil auf die Demoversionen bezogen hatte.

Martin Gore platzierte gleich vier von ihm selbst gesungenen Stücke auf der Platte, mehr als je davor oder danach. Depeche-Mode-Studioalben sind ja sorgfältig kompiliert, die Tracklist stellt dramaturgisch meist eine Entwicklung dar. Hier fuhr Gore mit „A Question Of Lust“, „Sometimes“ und „It Doesn’t Matter Two“ auf den Positionen drei bis fünf gleich mehrere Wellenbrecher auf. Nie sang der Musiker so schön, so verletzlich, so jenseits allen Kitsches über die Gefühle von Teenagern. Diese Eigenschaft hat Gore sich bis heute, mehr als 30 Jahre später, bewahrt. Auch wenn er zuletzt, wie im „Delta Machine“-Stück „The Child Inside“, noch weiter zurückblickte, bis in die Kindheit.

Auch mehr als drei Jahrzehnte später weiß die Band diese Platte zu würdigen. Der Titelsong schafft es regelmäßig auf die Setlist, die Singles sowieso, das leider nicht als Single erschienene „Fly On The Windscreen – Final“ auch, und Martin Gore zerlegt „Dressed In Black“ oder „It Doesn’t Matter Two“ live in einer Pianoversion bis auf die Knochen. Bei der „Spirit“-Konzertreise musste „I Feel You“, der Monolith, regelmäßig „A Question Of Time“ weichen.

Welcher Song war bei der 2013er-Tour der meistgefeierte? Nicht „Enjoy The Silence. Sondern „But Not Tonight“, eine B-Seite!

Suzie Gibbons Redferns
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