Alev Lenz – Blondine mit Hintergrund

Die Deutsch-Türkin Alev Lenz überzeugt auf ihrem Debüt als „Storytelling Piano Playing Fraulein".

Zu berichten ist von einer Metamorphose, die nicht gerade jeden Tag um die Ecke biegt. Nur gut drei Jahre ist es ja her, dass sie mit blonder Mähne im Motörhead-T-Shirt auf einschlägigen Metal-Festivals die Frontfrau gab für eine Band, die auch nach ihrem Ausstieg weiter auf ihren Vornamen hört – jetzt kommt Alev Lenz in silbernen Ballettschuhen und Rosen-Strumpfhose als, so der Titel ihres Solo-Debüts, „Storytelling Piano Playing Fräulein“ daher, mit ironisch-apartem bis schonungslos klarem Blick für „Guys With Guitars“ (Songtitel) und manche kleine Leiche im Keller der Liebe. „Es ist bestimmt ein künstlerischer Salto“, erklärt die neuerdings in Berlin (billiger, mehr Subkultur) wohnende Münchnerin, „aber das bin auch ich. Und? Jeder soll sehen, wer ich bin, was ich zu sagen habe. Was in der Band mit immer härteren Songs nicht mehr möglich war. Ich konnte da auch die Nuancen meiner Stimme nicht mehr auskosten. Sie gibt mir auch das Gefühl, dass der Schritt gar nicht so groß war. Denn dieser melancholische Ausdruck ist ja geblieben.“

Und wo erfindet sich eine Frau noch immer gern ein bisschen neu? Genau. In New York sah Alev Lenz Randy Newman in der Carnegie Hall und hörte die Steilvorlage für den Albumtitel von der Betreiberin einer Bar im Greenwich Village, wo sie auftrat. „Da ist eine Energie, ein Sog, der einen auch kaputtmachen kann,“ befindet sie rückblickend, „wie ein schwarzes Loch, das einen verschluckt. New York ist einfach unheimlich fordernd, aber ich mag das.“ Im Januar wird sie noch mal zwei Gigs im Big Apple gespielt haben, wo sie als Solo-Act längst häufiger gastierte als in deutschen Clubs. „Ich krieg schon öfter gesagt, ich sei hier im falschen Land“, sagt Lenz. „Dabei ist es ja urdeutsch, am Klavier zu singen, von Schubert und Schumann bis Weill und Brecht. Das ist leider fast verloren gegangen. Aber ich möchte schon gehört werden in dem Land, in dem ich groß geworden bin.“

Günstiger stehen die Zeichen jetzt in dem Land, in dem ihre Mutter geboren wurde, die Schauspielerin Berrin Alganer-Lenz („Lindenstraße“). In der Türkei hofierten sie Alev bereits im Fernsehen sowie im Massenblatt „Hürriyet“, „als Naturblondine, so ’n bisschen exotisch halt, als Frau, die aus Europa zurück in die alte Heimat kommt. Und spätestens die dritte Frage ist immer: Das nächste Album wird aber türkisch, oder?“

Eher unwahrscheinlich. Erst mal singt sie weiter englisch, am Klavier, als urdeutsches „Fräulein“ mit türkischer Mutter. Wenn das nicht das popkulturelle Äquivalent zum ersten Parteivorsitzenden mit Migrationshintergrund ist… Alev Lenz lacht. „Wenn das alles auch einen kulturpolitischen Wert haben kann, freue ich mich darüber.“ Immerhin nahm sie noch im Motörhead-Shirt ein Fernstudium in Politik auf, nicht um „Plan B“ zu haben, sondern weil „mich gesellschaftliche Prozesse interessieren. Wenn ich am Mikrofon stehe, dann will ich was zu sagen haben“.

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