Die besten deutschen Songs: „El Lute“ von Boney M.

Frank Farian brachte in seinen Songs öfter Außenseiter unter. Hier ist es ein spanischer Robin Hood.

von Hans Nieswandt 24.01.2024

Als diese Single 1979 erschien, war ich mit 15 Jahren natürlich schon viel zu alt, um noch ernsthaft Boney M. zu hören. Nur „Daddy Cool“, ihr großer Durchbruch, hatte mir richtig gut gefallen, aber das war drei Jahre vorher und ich war erst zwölf.

Die lateinamerikanisch angehauchte Schlagerballade „El Lute“ kriegte ich als kleiner Hippie nur noch so am Rande mit und vermutete, dass es sich bei der Titelfigur wohl um eine alten Aztekenkönig oder mexikanischen Operetten-Revoluzzer handeln könnte. Tatsächlich verhielt es sich aber ungefähr so, als würden die Amigos oder DJ Ötzi heute eine Hymne auf Edward Snowden singen – eine so grandiose wie absurde Vorstellung.

Boney M. besangen mit „El Lute“ einen Gauner

Denn El Lute war bei Erscheinen der Platte alles andere als eine tote Legende, nämlich ein quicklebendiger Volksheld, angeblich eine Art spanischer Robin Hood. Als Boney M. (und später Michael Holm) den Ausbrecherkönig und Ganoven besangen, war der noch keine 40 Jahre alt, saß am Ende der Franco-Jahre im spanischen Gefängnis und wurde schon 1981 freigesprochen, nachdem er zwischenzeitlich sogar zum Tode verurteilt worden war.

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Dieser überaus spannende Inhalt von „El Lute“ erschloss sich mir aber erst später, und man fragt sich, wie vielen deutschen Spanien-Touristen dieser Sachverhalt damals überhaupt bewusst war.

Musikalisch wird der Schmachtfetzen dadurch zwar nicht besser, aber dass Frank Farian bei all seinen leichten Melodien für Abermillionen auch einen interessanten Hang dazu hatte, immer wieder Lieder über Außenseiter zu schreiben – „Ma Baker“, „Rasputin“, sogar „Rivers Of Babylon“ ist als alter Ska-Song zumindest politisch-spirituell geschmackvoll gewählt, wenn auch nicht entsprechend ausgeführt –, hat schon etwas Sympathisches, etwas, mit dem in den 70er-Jahren auch Schlagerstars noch punkten konnten.