Jazz von Ralph Quinke

Der Tenor-Saxophonist JOHNNY GRIFFIN, mittlerweile 67, hat in Chicago, New York und Paris gelebt. In Chicago lernte er den Blues, in New York den Bebop, in Paris die Melancholie. Sein Album „Chicago, New York, Paris“ (Verve) ist folglich eine Art Lebensbilanz voller Seele, Swing und Weisheit Der Mann, der einst als der Heißsporn unter den Saxophonisten galt, muß sich und der Welt heute nichts mehr beweisen. Entspannt spielt er – zusammen mit einigen Stars aus der Nachwuchsriege – einfach seine Musik – und die hört sich verdammt schwarz und verdammt gut. 4,0

Viel „weißer“ und viel cleaner als der Sound von Johnny Griffin ist der von CHARLES LLOYD, auch er ein Magier des Tenorsaxophons. Auf dem Album „All My Relations“ (ECM) steht nicht der derbe, dirty Jazz im Vordergrund, sondern fein ziselierte, wohlgeformte, manchmal kammermusikalische Kompositionen. Klar und durchsichtig wirkt LLoyds Ton, doch nie unterkühlt Meisterhaft baut der Saxophonist melodische Spannungsbögen auf. Sphärische Klangmeditationen stehen neben orientalischen Phantasien und hochdramatischen Passagen, wenn Lloyd sich mit Schlagzeuger Billy Hart geradezu duelliert. 3,5

Als er in der letzten Band von Miles Davis spielte, blies er sich die Seele aus dem Leib: der Altsaxophonist KENNY GARRETT. Ein neuer junger Held des Saxophons stand da auf der Bühne. Doch seine ersten eigenen Platten enttäuschten eher: Auf denen bewegte er sich nicht immer ganz stil- und geschmackssicher im Grenzbereich zwischen Bebop und Funk, Salsa, Soul und Pop. Mal hatte er Biß, doch oft war er glatt und perfekt und langweilig wie ein David Sanborn. Mit seinem neuen Album „Triology“ (WEA) hat Garrett sich nun auf den klassischen Trio-Trip begeben: Saxophon-Baß-Schlagzeug, ein paar Standards wie „Night And Day“ oder „Giant Steps“ spielen, ein paar Eigenkompositionen. Aber auch hier enttäuscht der Saxophonist: Sein Hörn wirkt merkwürdig eindimensional, nicht so variationsreich wie beispielsweise das eines Joshua Redman. bis Kenny Garrett das Format eines Sonny Rollins oder Joe Henderson erreicht hat denen dieses Album gewidmet ist, ist es noch ein weiter Weg. 3,0

Wenn Miles Davis noch leben würde, würde dann sein jüngstes Album klingen wie „Tales“, das neue Werk von MARCUS MILLER (Dreyfus/Sony France)? Denkbar wäre das, arbeitete doch der Bassist mit dem genialen Trompeter in dessen letzten Lebensjahren immer wieder zusammen. Marcus Miller hat als Produzent in „Tutu“ und „Siesta“, den beiden wichtigsten Platten des späten Miles Davis, deutlich seine Duftmarke hinterlassen, und die komplette Musik zum „Siesta“-Soundtrack stammte aus seiner Feder. Streckenweise erinnert Millers neues Album an die Co-Produktion Miller/Davis, der Geist des vor vier Jahren gestorbenen Trompeters scheint über dem Jenseits taucht immer wieder Miles‘ unverwechselbar röchelnde Stimme auf, ein Trompeter names Michael „Patches“ Stewart versucht wacker, den Trompetenton von Miles Davis zu kopieren, und etliche Passagen erinnern an Miles-Davis-Platten aus den späten Achtzigern. Trotzdem: Die Aura des großen Meisters fehlt und so ist dieses Werk am Ende bloß ein Sammelsurium manchmal mehr, manchmal weniger gelungener Blues-Funk-Jazz-Stücke. 2,5

Dies also soll eine Reise in die Zukunft des Jazz sein? Beflügelt vom Chart-Erfolg seiner Komposition „Canteloupe Island“ in der Coverversion von US 3 probiert HERRIE HANCOCK wieder einmal die Fusion von Hip Hop und Jazz und haut mit „Dis Is Da Drum“ (Mercury) voll daneben. Da versucht einer krampfhaft, etwas Neues zu schaffen, schmeißt Hip-Hop-Beats, afrikanische Rhythmen, Sequenzer-Sounds, hardbop-artige Klaviersoli und noch viel mehr in einen großen Kessel, rührt um und serviert doch nur einen faden, lauwarmen Eintopf, bei dem die Zutaten nicht zueinander passen. 2,5

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