Johnny Burnette – The Complete Recordings 1955-64 :: Bear/Family

Nur Sam Phillips wird wissen, warum er bloß Charlie Feathers unter Vertrag nahm, Johnny Burnette aber keinen geben mochte. Denn der war von den beiden Rockabilly-Pionieren mit seinem RockV Roll-Trio (Paul Burlison an der Gitarre und Bruder Dorsey Burnette am Bass) dann doch der erfolgreichere, jedenfalls solange er lebte. Urgestein der Gattung, auf derselben Highschool wie Elvis und zusammen mit Bruder Dorsey ein ungleich talentierterer Songschreiber. Von diesem Talent hätte Sun Records ganz sicher profitieren können, und der gutaussehende Johnny hatte zweifellos auch weit mehr das Zeug zum Teen-Idol als der knorrige Charlie Feathers.

Für ein anderes, nämlich Ricky Nelson, schrieben die Brüder damals mehrere Hits, und „You’re Sixteen“ fand Richard Starkey auch als Ex-Beatle so hervorragend, dass er diesen Song – mit Harry Nilsson im Hintergrund, die perfekten Harmonies liefernd – 1973 aufnahm und damit seinen größten Hit überhaupt hatte.

So clever, dass er von Gene Vincent – mit dem er damals auf Tournee ging) ein paar Vbkal-Manierismen abschaute, war Johnny Burnette schon. Aber das tat er so dezent, dass der sich bei soviel professional courtesy nicht beleidigt fühlen musste. Wie das mit den Propheten im eigenen Land so ist: Das erstklassige Songmaterial der frühen Jahre fand weit weniger Resonanz als die Pop-Hits, die er später solo aufnahm. Und von denen waren Ohrwürmer wie „Dreaming“ weit größere Hits im fernen England als daheim.

Dieses seine komplette Sangeskarriere dokumentierende Box-Set (mit jeder Menge hier erstmals veröffentlichter Aufnahmen) belegt nebenbei: Einer der besseren Interpreten von Hank-Williams-Klassikern war Johnny B. nun wirklich nicht. Und bei manchen Cover-Versionen wie denen von Bobby-Darin-Vorlagen hätten originellere Produzenten-Ideen nicht geschadet.

Seinen Nachruhm als eines der größten Talente des frühen Rock’n’Roll schmälert das nicht im mindesten. Über den „wildhaired 21-year-old youth from Memphis,Tenn.“ berichtete der „Evansvüle Courier“ am 20. Oktober 1956, kreischende Teenies hätten ihm das Hemd vom Leib in Fetzen gerissen und: „The singer was in sad shape when he reached the car.“ So war das also damals mit dem Ruhm, alles nachzulesen im opulent ausgestatteten Buch, das dem Box-Set beiliegt. Burnette ertrank bei einem Bootsunfall.

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