Leonard Cohen :: Live In London

Musik-DVD des Monats: „"Live in London" zeigt die späte Wiederkehr des Minnesängers und Poeten Leonard Cohen

Fragil, freundlich und furchig steht der große Dichter am Mikrofon. Kein bisschen mehr die robuste Haltung des Plattencover-Fotos von „I’m Your Man“. Damals konnte ihm keiner was. Ein paar Jahre später, bei der für lange Zeit letzten Tournee von Leonard Cohen, war er schon ein älterer Mann, ein Tanzbär mit sonorer Stimme, der vor seiner Band am Bühnenrand einherschritt und -wippte. „The Future“ hieß die Platte 1992 – und die Zukunft ward ziemlich genau so. wie Cohen sie mühelos vorhergesehen hatte: Krieg, Korruption, Mord, Armut, Verbrechen, Verschmutzung, Irrsinn. Nur ans Geld hatte er explizit nicht gedacht.

Als Cohen im letzten Jahr in London auftrat, war die Finanzblase noch nicht geplatzt, aber zum Pessimismus hatte der stets depressive Künstler trotzdem allen Grund. Doch auf zauberische Art schien er allen irdischen Sorgen enthoben zu sein, die Songs wogen plötzlich leicht, die ganz schwarzen Stücke sang er gar nicht, alles war in Altersmilde getaucht. Fast ein Kind sei er bei seinem letzten Auftritt in der Stadt gewesen, scherzte der 72-Jährige-, das tat er in jeder Stadt. Der Erotomane hatte seine Muse Sharon Robinson dabei und zwei junge Schwestern, die den Background-Gesang beisteuerten und sich ein wenig in den Hüften wiegten. Doch kein „Chelsea Hotel No. 2“ oder „Paper Thin Hotel“ erinnerte an die fleischlichen Begierden der Vergangenheit – Cohen wirkte demütig, asketisch, sang die apollinischen, würdigen Lieder: „Dance Me To The End Of Love“. „Ain’t No Cure For Love“, „Suzanne“, „Take This Waltz“, „Tower Of Song“, „Hallelujah“. Die Band begleitete ihn erfahren und erlesen, hier ein Lauten-Solo, dort eine Klarinette, ein Saxofon, eine Orgel. Nobelmusik. Und der alte Herr zog seinen Hut: vor dem Publikum, vor den Musikern, vor der Geschichte.

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