Roger Waters – Ca Ira
Eine Oper! Man war darauf gefaßt. Das Drama, der Größenwahn, die Liebe zum Konzept, auch die Blasiertheit, all das hat Roger Waters zur Genüge – und mußte also früher oder später der Versuchung erliegen, den hier längst nicht mehr so engen Rahmen der Rockmusik endgültig zu sprengen und sich am Handwerk der Meister zu versuchen. Vor zwölf Jahren schon hatte Waters der Bitte des Franzosen Etienne Roda-Gil entsprochen, ein Libretto mit Texten und Bildern zur französischen Revolution zu vertonen, und seither nahm das Projekt „Qa Ira“ in der Waters eigenen Langsamkeit feste Formen an. Für die akkurate Umsetzung der Vorlage hat Waters sich unterrichten lassen in der nötigen Orchestrierungslehre und außerdem das Libretto um eine Erzählung ergänzt, die die historischen Geschehnisse aus der Perspektive Marie Antoinettes sowie eines barfüßigen Priesters erzählt; beide sterben schließlich unter der Guillotine.
Folgende Dinge merkt man schnell: „Qa Ira“ steckt bis oben hin voll mit Waters-typischen Melodiebögen, Arrangement-Kniffen und Schreibweisen. „Qa Ira“ ist beizeiten unerträglich pompös. „Qa Ira“ bedient sich der üblichen Geräuschkulisse aus vorüberfahrenden Vehikeln, Kinderchören, Gelächter und Explosionen. Und: „Qa Ira“ ist das Werk eines Neulings im Umgang mit dem Orchester, einem im Vergleich zur Rockband freilich ungleich komplexeren Klangkörper – Waters versteht sich nicht auf allzu große Vielschichtigkeit, auf Kontrapunkte und hundertfach verwobene Themen. Und begnügt sich deshalb damit, seine Einfälle recht gradlinig umzusetzen, was bestimmt eine kluge Entscheidung war.
Die wichtigste Botschaft für die Menschen, die Waters gut leiden können und etwa „Amused To Death“ für ein grandioses Album halten, ist: Man kann diese mit diversen Stars der Klassikszene aufgenommene Platte trotz der ungewohnten Form toll finden, weil Waters eben Waters ist und den alten Noten bloß ein neues Gewand gibt. Wie die großen Gesten wellen, die Chöre schmettern, die kleinen Melodien sich ohne Gitarre und Schlagzeug frei entfalten und das Drama zu toll gesetzten Akkorden seinen Lauf nimmt, all das trägt Waters‘ Handschrift in überdeutlicher Weise.
Auch das aufwendige Drumherum gehört hier zum Selbstverständnis: Das Digipack enthält neben zwei SACDs ein 60seitiges Booklet samt Libretto, eine DVD dokumentiert die Werkwerdung. Außerdem wird „Qa Ira“ weltweit nur wenige Male zu sehen sein und in puncto Aufwand sicher jeden Maßstab sprengen. The show must go on.‘