Ron Sexsmith

The Last Rider

Klassischer Pop und zeitgemäßes Radiofutter: Lange klang der kanadische Songwriter nicht mehr so süffig und betörend

In Zeiten von Krisen, Konflikten und Kriegen gilt Kunst als relevant, wenn sie brüchig, zerschossen, widersprüchlich und kritisch ist. Schönheit ist nur in bürgerlichen Stuben und stillen Ecken von Weinlokalen eine anerkannte Größe. Der kanadische Songwriter Ron Sexsmith ist ein Mann der klaren Form, der geschwungenen Melodiebögen und der melancholischen Träumerei. Es scheint, als wäre er ein Besucher aus einer fernen, besseren Zeit, als noch Götter wie die Beatles, die Beach Boys und die Kinks unter uns wandelten und mancher glaubte, das Paradies ließe sich ohne Weiteres mittels der Kraft der Musik (und der Liebe und des Rausches) erreichen.

Sexsmith ist nun Anfang 50, kein gutes Alter für einen Künstler: im Nirgendwo zwischen Sturm und Drang und Alterswerk. Mehr als ein Dutzend Alben hat er seit Beginn der Neunziger veröffentlicht. Alle irgendwie gut, aber außer ein paar Kritikern und Connaisseuren hört wohl schon länger niemand mehr so genau hin. Vielleicht ändert sich das mit „The Last Rider“ , denn nicht mal auf seinem wohl populärsten Werk, „Retriever“ von 2004, klang er so süffig und betörend wie hier. Das Songwriting ist wohlgereift, und die mit seiner Tourband erarbeiteten Arrangements sind elegant.

Eintritt in den Pophimmel

Zudem fand Sexsmith gemeinsam mit seinem Koproduzenten und Schlagzeuger, Don Kerr, die perfekte klangästhetische Balance zwischen klassischem Pop und zeitgemäßem Radiofutter. Rufus Wainwright würde vermutlich all seine Opern, Elton John all seine Haare hergeben für Popkleinode wie „Our Way“, „West Gwillimbury“ oder „Evergreen“, Ray Davies seinen Ritterorden für das lässige „Dreams Are Bigger“. Kann schon sein, dass Paul McCartney ein so hübsches Lied wie „Worried Song“ jederzeit schreiben kann, aber er hat es wohl schon länger nicht mehr getan.

Man könnte hier für jeden Track eine Referenz und einen Grund finden, ihn in den Pophimmel zu heben, aber es sind vor allem drei Songs, die selbst aus dem Werk dieses Lieblings der Songwritergötter herausragen: das von ELO-Streichern verzuckerte, geradezu barocke „Breakfast Ethereal“, der elegante Tränentreiber „Only Trouble Is“ und die von Bläsern spektakulär aufgehübschte Folkballade „Man At The Gate (1913)“, in der Sexsmith inspiriert von einer alten Postkarte über den Abgrund der Zeit schaut: „The man at the gate seems to be waiting/ For some­one or some­thing to enter the scene/ The man at the gate appears in the distance/ To prove his existence in 1913.“ Dieser Mann steht am Tor zu einem Jahrhundert voller Krisen, Konflikte und Kriege. Sexsmith erzählt von ihm und davon, dass es selbst in Zeiten wie diesen noch Momente hinreißender Schönheit gibt. Ron sei Dank. (Cooking Vinyl)

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