The Jam :: Sound Affects
Die „Deluxe Edition“ zum 30. Jubiläum von Paul Wellers Klassiker
Das Inner Sanctum des Britpop, des Modernism, des blassen Soul. Manche schwören auf „All Mod Cons“, aber „Sound Affects“ markierte 1980 den Gipfel von Paul Wellers Song-Kunst. „Start!“ und „That’s Entertainment“ sind die süchtigmachenden Singles, aber das verzwickte, basslastige „Pretty Green“ und das bittersüß-sehnsüchtige „Monday“ sind beinahe noch besser. Die Working-Class-Sensibilität von „Man In The Corner Shop“! Der übermütige Furor von „Set The House Ablaze“! Der Trotz von „I’m Different Now“! Nur Joe Jackson klang auf „Beat Crazy“ vergleichbar jung, wütend und zu allem entschlossen.
Nun war „Sound Affects“ ein Album aus jener Zeit, als Platten etwa 35 Minuten dauerten. In der „Deluxe Edition“, 30 Jahre später, gibt es 22 weitere Stücke: Demos, alternative Versionen, Aufnahmen von „And Your Bird Can Sing“ und „Rain“ von den Beatles und Ray Davies‘ Songs „Dead End Street“ und „Waterloo Sunset“. Und das war natürlich auch das Britannien, das der Jüngling Paul Weller besang, als würde es morgen untergehen. Spiel es laut! (universal) arne willander
Bo Diddley +++¿
Bo Diddley Is A Songwriter
Oder sagen wir es so: Bo Diddley war ein Songschreiber
Manchmal war er in seinen Songs der ganz große Liebende, wenn er – in „Mona“ – sein Haus neben dem der Angebeteten bauen wollte. Auch in den für und mit Mickey & Sylvia komponierten „Dearest“ und „Love Is Strange“ war die Liebe allenfalls ein seltsames Spiel. Den entschieden problematischeren Liebhaber erfand er für „Who Do You Love“. Der trägt eine Kobra als Krawatte, bewohnt ein Haus, das aus Klapperschlangenhaut erbaut wurde – mit einem menschlichen Schädel als Kamin -, und wenn er in die Stadt gehe, dann mit einer Klapperschlangenpeitsche. Seine Arlene liebt ihn trotzdem und erklärt: „Oowee Bo, you know I understand.“
Chuck Berry mag der meistbesungene Poet des frühen Rock’n’Roll sein. Eine Ehre, die er sich eigentlich mit Willie Dixon und Little Richard teilt. Aber sein Chess-Kollege Bo Diddley war der Mann, dem einige der ungewöhnlichsten und unverwechselbarsten Riffs jener Jahre einfielen. Wobei so etwas wie „I’m A Man“ durchaus von Vorlagen des besagten Willie Dixon inspiriert sein könnte. Aber die zu „Say Man“, „Road Runner“, „Bo Diddley“ und einigen anderen hätte er sich patentieren lassen sollen.
All dieser Originalität zum Trotz war er nicht annähernd so populär wie andere Rock’n’Roller der ersten Generation. Aber von den neun Singles, die es in die oberen Ränge der Rhythm-&-Blues-Hitparade schafften, nutzten Kollegen von Buddy Holly bis Rolling Stones und Yardbirds die meisten gern als Blaupausen für eigene Aufnahmen. Überhaupt war Bo Diddley, was seinen Hitparadenerfolg angeht, in England offensichtlich populärer als im eigenen Land. Nur generell kannte man seine Songs in Cover-Versionen weit überwiegend besser als in seinen Originalaufnahmen.
Wie bei „Who Do You Love“ kann man sich auch bei anderen Diddley-Songs herzlich darüber streiten, wer da wohl die eigenwilligsten und gelungensten Deutungen aufnahm. „I’m Sorry“ hier in einer ganz raren Aufnahme von Los Lobos zu präsentieren, ist allen Lobes wert. Von vergleichbarem Kaliber ist das, was die Everly Brothers aus „Love I Strange“ machten, gewiss nicht. Mit ein wenig Lokalpatriotismus hat wohl auch zu tun, dass „I Can Tell“, „Cadillac“, „Road Runner“ und andere in Aufnahmen der Animals, Downliners Sect, Johnny Kidd & The Pirates, Pretty Things und Zombies ausgewählt wurden. „I’m A Man“ wiederum findet man nicht in der Version der Yardbirds, sondern einer relativ puristisch-bluesigen des blutjungen John Hammond jr, „Pills“ nicht in der 1963 von Mickey Finn & The Blue Men aufgenommenen Single, sondern in der Fassung der New York Dolls. Statt der bekannten Creedence-Clearwater-Revival-Version von „Before You Accuse Me“ die ganz wunderbare von Delbert McClinton zu bringen, war eine weise Entscheidung. (Ace/soulfood) franz schöler