
Mit immer noch größerer Geschwindigkeit bringt Mike Scott seine Platten heraus: Beinahe jedes Jahr erscheint ein Album der Waterboys. Niemand kann so viele gute Songs schreiben. Scott gibt manchmal den Hendrix und hat den elektronischen Loop als rhythmisches Transportmittel seiner Rhapsodien entdeckt. Deshalb klingen seine Anrufungen im charakteristischen Sprechgesang nun wie Van Morrison, der Schiller (nicht Friedrich) interpretiert, oder wie New Model Army, die Yeats deklamieren.
Scott ist nie verlegen um Kitsch
Es rauscht, es braust, es rumst. In der torkelnden Philippika „The Liar“ ruft Scott empört durch eine Flüstertüte und wird von „Breaking News“ unterbrochen: Zivilisationskritik von Roger Waters’ Grabbeltisch. Es ist also manchmal recht eigentlich schauderhaft. Mike Scott flüstert, er barmt, er schwelgt wie seit vierzig Jahren. Seine bloße Stimme mit egal welcher Musik lässt Steine weinen. In „In My Dreams“ beschwört er Sly Stone, King Crimson und Amy Winehouse, so wie er früher Patti Smith und Lou Reed beschworen hat.
„The Southern Moon“ und ein „Blackberry Girl“ taugen ihm für beredte Oden. „Hollywood Blues“ ist das eine sentimentale Stück dieser Platte, das man in eine erweiterte Mike-Scott-Sammlung aufnehmen würde, gäbe es nicht 124 Songs aus der „Fisherman’s Blues“-Periode. Scott ist nie verlegen um Kitsch. „When Dixie is playing, we all come marching in“, singt er in „Once Were Brothers“. Sehnsuchtschöre, schlotziges Gitarrensolo. In einem überkandidelten Kirmeslied verkündet er die Whitesnake-Parole „Here We Go Again“.
Acht Songs bereiten das eine Sück vor, das Scott eigentlich schreiben wollte: „Passing Through“, eine gemütliche neunminütige Talking-Blues-Meditation samt Mitsingchor aus dem Irish Pub, erkennbar von Leonard Cohen inspiriert. Scott singt über den Topos, um den es ihm immer geht: die Transzendenz der Existenz. „Sometimes happy, sometimes blue/ We’re only passing through.“ So sieht’s aus.
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