ROLLING-STONE-Bilanz des ESC 2024: Nemo ist Avantgarde, Baby Lasagna nur Moderne

Nemo für die Schweiz setzte sich gegen spekulatve Beiträge und traditionelle Lieder durch – und Isaak blieb cool

So knapp war Nemos Sieg dann doch nicht. Er hatte die Jurys auf seiner Seite, während Baby Lasagna mehr Stimmen des Publikums bekam. Insofern waren die Buchhalter verlässlich, die auf Lasagna gesetzt hatten – Juroren wetten nicht. Wenn der ESC ein Seismograph der Zeit ist, dann ist „The Code“ ein Zeichen: Nemo ist Avantgarde; Baby Lasagna nur Moderne.

Fast rührend wirken so gut durchdachte Beiträge wie die von Irland und Slowenien, Österreich und Schweden, Zypern und Großbritannien, Griechenland und Finnland. ESC bedeutet immer Spekulation. Traditionelle (und sehr gute) Lieder wie die von Eden Golan für Israel und Slimane für Frankreich, auch Angelina Mango für Italien belegten vordere Plätze. Der spekulativste Beitrag, „Europapa“ für die Niederlande, musste draußen bleiben, nachdem der lustige Sänger Joost Klein angeblich eine Kamerafrau bedroht hatte.

Der ESC 2024 war eine nostalgische Veranstaltung, bei der Schweden die Geschichte des Wettbewerbs und sich selbst feierte. Die Moderatorin Petra Mede kommentierte den blinden Fleck des ESC, indem sie dekretierte, für die Teilnahme dürfe man nicht über 40 Jahre alt sein – sie selbst habe es gerade noch geschafft. Mede ist 53. Dann betrat die spanische Sängerin Maria Bas, 55, die Bühne. Erstmals richtete Schweden den ESC im Jahr 1975 aus. Die damalige Moderatorin Karin Falck, 92 Jahre alt, grüßte per Videobotschaft aus ihrem Retiro.

Und Abba. Man konnte sich vorstellen, wie das Jubiläum von „Waterloo“ ins Programm integriert würde – und so war es dann auch. Vorher witzelte die Ko-Moderatorin Malin Akerman, sie habe eine Band wieder zusammengeführt, die nie mehr auftreten wollte – aber sie sei sofort dazu berereit gewesen. Dann erscheint das Trio Alcazar auf der Bühne und singt „Crying At The Discoteque“. Alcazar waren fünf Mal bei schwedischen Vorentscheidungen aufgetreten und kamen niemals ins Finale. „Dafür brauchte es doch nur eine Flasche Wein“, so Petra Mede. Grausam!

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Die Abba-Avatare grüßen also aus ihrem Londoner Domizil, sie können jetzt auch sprechen. Es folgt der „Waterloo“-Auftritt von 1974, der auf der Bühne von Malmö von Carola, Charlotte Perrelli und Conchita Wurst, allesamt frühere ESC-Gewinnerinnen, fortgesetzt wird. Nun besteht der Zauber solcher Auftritte aber darin, dass es die Künstler noch gibt – und diese Künstler gibt es ja noch. Björns Avatar erzählt noch einmal, dass er sich in seinem engen Kostüm damals nicht setzen wollte. Nun je.

Unser Isaak wurde Zwölfter. Stoisch absolvierte der Mann jede Routine des ESC-Programms, gab lässig Interviews und schenkte Conchita Wurst eine Nasenflöte. Er war einfach nicht aufgeregt.

Und der Off-Kommentator Thorsten Schorn, der Peter „The Voice“ Urban nachfolgte, war auch toll.

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