Schrill, skurril und wunderschön

Fernsehmoderatorin und Buchautorin Sonya Kraus verehrt die Avantgarde-Pop-Ikone Grace Jones.

Aufgezeichnet von Max Gösche

Meine erste Erinnerung an Grace Jones war ein Bild, auf dem sie als schwarze Katze im Käfig posiert. Das fand ich provokant, hot, irre. Jean-Paul Goude, der all die tollen Fotos von ihr gemacht hat und mit Grace liiert war, hat aus ihr ein Gesamtkunstwerk gemacht. Aber es war nicht nur das Visuelle, das mich an ihr gereizt hat. In ihrer Musik hört man, dass sie mehr draufhatte, als sich nackt im Käfig zu räkeln. Nicht nur die Hits „Slave To The Rhythm“ und „La Vie En Rose“ sind sensationell, das ganze Best-of-Album „Island Life“ ist es, weil jedes Lied anders ist. Sie hat diesen exotischen, unterkühlten Clubsound, der sie so einzigartig macht. Die Songs haben etwas Archaisches, Animalisches, obwohl die Musik überhaupt nicht das übliche Buschtrommel-Klischee bedient.

Schaut man das Cover an, frag man sich zuerst: Ist das echt oder ist das eine aus Zedernholz geschnitzte und anschließend mit Bronzefarbe übermalte Statue? Da ist eine stolze Frau, die gleichzeitig super graziös wirkt. Dieser Körper, diese Kraft, diese Anmut sind einfach nicht von dieser Welt.

Als Teenager wollte ich natürlich so sein wie Grace: schrill, skurril, androgyn und wunderschön. Zwitterwesen wie sie haben mich immer fasziniert. Viele Männer finden das schockierend und wollen am liebsten so schnell wie möglich den Raum verlassen, wenn eine Frau mit einer solch maskulinen Präsenz anwesend ist. Für mich darf Grace Jones niemals altern, niemals nachlassen. Rein äußerlich gelingt ihr das ziemlich gut, musikalisch nicht so ganz. Ihre letzte Platte hat bis auf zwei oder drei Stücke nicht mehr die Macht, die Grace in den 80er-Jahren verkörperte.

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