Sean „Diddy“ Combs: Anwalt Brian Steel demütigt seine Ex-Assistentin „Mia“

Zehnmal „Einspruch“ in zehn Minuten. Beim Prozess in New York wird mit harten Bandagen gestritten

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Die Gerichtszeichner skizzieren ein leeres Gesicht. Im Prozess gegen Sean „Diddy“ Combs wird der wirkliche Name der Ex-Assistentin nicht genannt. Sie heißt dort nur „Mia“. Nachdem sie in der letzten Woche „Abscheuliches“ (so eine Formulierung der „Bild“-Zeitung) berichtet hatte, muss sie sich im Kreuzverhör Combs-Anwalt Brian Steel stellen. Steel erwies sich im bisherigen Prozessverlauf als harter Hund.

„Mia“ sagte, der HipHop-Mogul hätte sie „in Angst und Schrecken versetzt sowie einer Gehirnwäsche unterzogen“. Beim Verhör versuchte „Mia“ ihre widersprüchliche Lage zu verdeutlichen, für einen vermeintlichen „Beschützer“ zu arbeiten, der gleichzeitig ein „Missbraucher“ ist.

An ihrem dritten Verhandlungs-Tag erklärte sie damit auch ihre Zurückhaltung, schon früher zu den Vorwürfen von sexueller Nötigung gegen Combs auszusagen.

„Alles erfunden!“

Brian Steel wählte im Kreuzverhör eine aggressive Gangart. Er attackierte „Mias“ Angaben, indem er Situationen hervorhob, in denen sie ihren ehemaligen Chef unterstützte oder sich gar „anschmiegsam“ zeigte.

Steels Tonfall war dabei oftmals übertrieben und sarkastisch, zumeist auf Konfrontation gebügelt. Er fragte „Mia“ etwa direkt, ob sie sich auch „der #MeToo-Geldgier“ angeschlossen hätte. Das führte zum Einwand der Staatsanwaltschaft, dem der Richter stattgab. Zeugin „Mia“ beteuerte dazu, dass sie nicht beabsichtige, eine Zivilklage gegen Combs einzureichen.

Steel zweifelte am Wahrheitsgehalt ihrer Behauptungen. Die beschriebenen Ereignisse hätten nie stattgefunden. Alles erfunden! Eine deutliche Verschärfung seiner Prozess-Rhetorik. „Mia“ erwiderte daraufhin: „Ich würde in diesem Gerichtssaal nicht lügen. Ich habe in diesem Gerichtssaal nie gelogen. Alles, was ich gesagt habe, ist wahr.“

„Einspruch, euer Ehren“-Dauerschlaufe

Das Kreuzverhör wurde im weiteren Verlauf zu einer „Einspruch, euer Ehren“-Dauerschlaufe. Beobachter sprechen von zehn Einwänden in zehn Minuten. Richter Arun Subramanian gab die meisten davon statt.

Bundesstaatsanwältin Maurene Comey setzte sich vor dem Richter dafür ein, dass Steels aggressiver Tonfall in den Gerichtsprotokollen vermerkt werden sollte. Sie beschuldigte Anwalt Steel, Mia zu „demütigen“; auch mit dem Ziel andere potenzielle Opfer vor eine Aussage abzuhalten.

Laut Beobachtungen des amerikanischen ROLLING STONE beobachte Sean Combs die Attacken von Steel intensiv und konzentriert, „als ob er zum ersten Mal einen Film darüber sehen würde“.

Steels Strategie im Kreuzverhör beruhte darauf, die unterstützenden und liebevollen Social-Media-Posts und Textnachrichten an Combs zu präsentieren. „Mia“ hatte diese während ihrer Anstellung (bis 2019) und auch danach versendet. Einmal soll Combs sie gerettet haben, als sie mit dem verurteilten R’n’B-Sänger und Sexualverbrecher R. Kelly in einem Aufzug gefangen war. Monate später schrieb „Mia“ an Combs, dass sie ihm „alle Liebe der Welt“ schicke.

„Er war meine Autoritätsperson, meine einzige Autoritätsperson“

Auf die Kernfrage, ob Combs zu diesem Zeitpunkt weiterhin Einfluss auf sie hatte, gab „Mia“ an, dass das „psychologisch“ immer noch so gewesen wäre.

Sie ergänzte, dass sie diese Texte nach „tragischen Ereignissen“ in seinem Leben geschickt hätte, wie dem Tod seiner damaligen Partnerin Kim Porter im November 2018. „Ich war immer auf der Suche nach seiner Zustimmung. Er war meine Autoritätsperson, meine einzige Autoritätsperson“, so „Mia“.

Wie es weitergeht: Die Geschworenen im Strafprozess von Sean „Diddy“ Combs sind für heute (03. Juni) beurlaubt worden. Erwartet wird, dass die Staatsanwälte Eddie Garcia, der im Sicherheitsdienst des InterContinental Hotels arbeitete, morgen bei der Wiederaufnahme des Verfahrens in den Zeugenstand rufen. „Jane“, eine weitere von Combs‘ Anklägerinnen, könnte ebenfalls am Mittwoch (4. Juni) aussagen.

Ralf Niemczyk schreibt freiberuflich unter anderem für ROLLING STONE. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.