Trump bekommt endlich den Polizeistaat, den er sich seit Jahren wünscht
Die zunehmend aggressiven Razzien und Verhaftungen von Einwanderern durch Trump lösten in L.A. Proteste aus – und gaben ihm einen Vorwand für ein militarisiertes Vorgehen.
Donald Trump hat lange davon geträumt, das US-Militär in verschiedenen demokratischen Hochburgen im ganzen Land einzusetzen. Ganz gleich, ob die dort gewählten Liberalen das wollen oder nicht. Weniger als sechs Monate nach Beginn seiner zweiten Amtszeit, die von seinem Streben nach uneingeschränkter Macht geprägt ist, beginnt sich dieser Wunsch nun zu erfüllen.
Am Wochenende autorisierte der Präsident die Entsendung von 2.000 Nationalgarde-Soldaten nach Los Angeles. Als Reaktion auf Straßenproteste gegen die jüngste Welle bundesweiter Einwanderungsrazzien und Berichte über Verhaftungen bei routinemäßigen Einwanderungsterminen. Am Montag mobilisierte die Trump-Regierung Hunderte Marinesoldaten für den Einsatz in der Stadt. Und verdoppelte die Anzahl der Nationalgarde vor Ort.
Proteste in L.A. und der Einsatz des Militärs
Die Proteste in Los Angeles rechtfertigen onicht dieses plumpe Eingreifen der Bundesbehörden oder eine derartige Machtdemonstration. Der demokratische Gouverneur Gavin Newsom und andere lokale Vertreter erklärten wiederholt, es gebe keinen Grund, bewaffnete Truppen zu entsenden. Und warfen der Trump-Regierung vor, die Situation aus politischen Gründen anzuheizen.
Trump hat erklärt, er könne das Insurrection Act – ein Gesetz von 1807, das ihm erlaubt, das Militär gegen Demonstranten einzusetzen – in Kraft setzen, wenn ihm danach sei. Verteidigungsminister Pete Hegseth drohte, die Marines auf die Stadt loszulassen. Trumps „Grenz-Zar“ Tom Homan stellte die Möglichkeit in den Raum, dass die Bundesbehörden Newsom oder die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, verhaften könnten, falls sie Trump im Weg stehen. Der Präsident sagte am Montag, es wäre „großartig“, wenn seine Regierung Newsom verhaften würde. Zuvor hatte dieser angekündigt, Kalifornien werde gegen den Nationalgarde-Einsatz klagen.
Der autoritäre Impuls des Präsidenten
Trump wollte schon in seiner ersten Amtszeit seinen eigenen Polizeistaat. In dem er selbst der unbestrittene Boss ist. Die Konfrontation auf den Straßen von Los Angeles, die Ende letzter Woche eskalierte, nachdem das Department of Homeland Security (DHS) begann, Pfefferkugeln auf Demonstranten zu schießen, zeigt, wie sehr Trump und seine Regierung darauf brennen, die gewaltigen militärischen Befugnisse der USA gegen inländische Kritiker und Gegner einzusetzen.
Trump – der einst tatsächlich einen Aufstand im US-Kapitol anstiftete, um eine verlorene Wahl rückgängig zu machen – veröffentlicht nun Memos über eine „Rebellion“ unbewaffneter Demonstranten in einer amerikanischen Großstadt. Und bezeichnet sie als „Aufständische“. Damit schafft er die rhetorische Grundlage, um möglicherweise das Insurrection Act anzuwenden. Und Marines auf Zivilisten loszulassen. „Wir werden überall Truppen haben“, warnte Trump am Sonntag auf die Frage nach Los Angeles.
ICE-Razzien und Gewalt gegen Demonstranten
Laut dem „Wall Street Journal“ forderte Stephen Miller, stellvertretender Stabschef des Weißen Hauses, kürzlich, dass die Einwanderungs- und Zollbehörde ICE aufhöre, sich auf Bandenmitglieder und gewalttätige Kriminelle zu konzentrieren. Und stattdessen „einfach rausgeht und illegale Einwanderer verhaftet“. Er schlug vor, Agenten sollten zu Home Depot oder 7-Eleven gehen. Kurz darauf verhaftete ICE am Freitag 40 Einwanderer auf einem Home Depot-Parkplatz im Raum Los Angeles. Auch bei Gerichtsterminen wurden letzte Woche zahlreiche Menschen verhaftet.
Die ICE-Razzien führten am Freitag zu Protesten vor dem Bundesgebäude in Los Angeles. Das DHS reagierte mit dem Einsatz von Pfefferkugeln gegen die Menge. Was die Spannungen weiter verschärfte, zu tagelangen Unruhen und einem harten Vorgehen der örtlichen Polizei gegen die Demonstranten führte.
Weitere Eskalation wahrscheinlich
Trumps Befehl zur Mobilisierung der Nationalgarde in Kalifornien sieht einen 60-tägigen Einsatz vor, über dessen Dauer Hegseth entscheidet. Zwei mit der Angelegenheit vertraute Quellen berichten, dass hohe Regierungsbeamte planen, die ohnehin angespannte Razzien-Offensive während der Mobilisierung noch zu intensivieren. Einer dieser Quellen zufolge sei es kaum vorstellbar, dass die Demonstranten tatenlos zuschauen. Eine Eskalation sei nahezu unausweichlich.
Weißes Haus bleibt unnachgiebig
Abigail Jackson, Sprecherin des Weißen Hauses, sagt gegenüber ROLLING STONE: „Wer sich illegal in den USA aufhält, wird abgeschoben. Das ist das Versprechen, das Präsident Trump dem amerikanischen Volk gegeben hat. Und er wird es einlösen. Präsident Trump wird die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden immer gegen gewalttätige Randalierer schützen, wenn kraftlose Demokraten wie Gavin Newsom das nicht tun.“
Juristen der Trump-Regierung haben im Voraus Dokumente zur möglichen Anwendung des Insurrection Act entworfen. Und stehen in Bereitschaft für den Fall, dass Trump die Befugnis zur Militärentsendung nutzt.
Schon zu Beginn seiner zweiten Amtszeit, so Quellen, besprach Trump mit Beratern, wo und wann ein Einsatz von Bundestruppen aus seiner Sicht sinnvoll wäre. Entweder zur angeblichen Verbrechensbekämpfung oder zur Reaktion auf Protestbewegungen gegen seine Agenda. Boston, Chicago und Los Angeles wurden dabei häufig genannt.
Polizei auf Trumps Seite
Zahlreiche Demokraten werfen Trump vor, die Lage absichtlich zu verschärfen, um einen Vorwand für Militärinterventionen zu schaffen. Doch das stört ihn nicht. Laut einer weiteren Quelle glaubt Trump, in vielen Polizeiabteilungen – auch beim LAPD – Unterstützer zu haben. (Tatsächlich hat das LAPD bei Anti-ICE-Protesten mit Gewalt reagiert.)
Laut dieser Quelle sowie einer Person aus Trumps Umfeld soll der Präsident kürzlich darüber geschimpft haben, was er im Fernsehen gesehen habe. Je nachdem, wie sich die Lage entwickle, könne er noch Tausende weitere Truppen nach L.A. entsenden.
Gefragt, ob Trump eine rote Linie für die Anwendung des Insurrection Act habe, sagte eine Quelle, Trump habe kürzlich erklärt, ein „Angriff“ auf die Nationalgarde in L.A. würde ihn wahrscheinlich dazu bringen, die Marines zu schicken.
„Wenn sie spucken, schlagen wir zurück!“
Es ist erwähnenswert, dass Trumps Definition von „Angriff“ auf Ordnungskräfte oftmals lächerlich flexibel ist. Diese Woche postete er über angebliche Spuckattacken auf Einsatzkräfte und warnte: „IF THEY SPIT, WE WILL HIT!“
Aktuell hat die Trump-Regierung kaum Angst vor einer weiteren Eskalation, da viele im Weißen Haus dies politisch als vorteilhaft ansehen. Hinzu kommt ein Racheelement, das nicht geleugnet werden kann.
Die Erinnerung an den turbulenten Sommer 2020, als Corona grassierte und Trump erstmals Präsident war, ist bei ihm und seinen Top-Beratern präsent. Sie wünschten, damals härter gegen Demonstranten und Randalierer vorgegangen zu sein. Nun wollen sie diesen „Fehler“ nicht wiederholen. Trump und Vertraute wie Miller sehen in der Anwendung des Insurrection Act ein Mittel, um härter gegen Proteste durchzugreifen.
Miller, wie Trump, bezeichnete die Demonstranten in L.A. als „Aufständische“. Das ständige Gerede der Regierung von „Aufständen“ auf L.A.s Straßen ist laut zwei Trump-Beratern auch eine bewusste Retourkutsche dafür, dass die Demokraten Trumps Versuche von 2020/21, an der Macht zu bleiben, als „Insurrection“ bezeichneten. Ein Begriff, der zu mehreren Anklagen gegen Trump geführt hat.