Folge 38

Verlasst Spotify!

Die ARD-Doku „Dirty Little Secrets“ zeigt, wer an der Musik am meisten verdient. Für unseren Kolumnisten gibt nach den hier präsentierten Fakten für Künstler:innen nur eine Konsequenz

In dieser kleinen Kolumne steht bekanntlich der menschliche Makel der Dummheit im Fokus. Dieses Mal möchte ich mich dabei auf uns Musiker:innen beziehen. Seit kurzem gibt es einen äußerst interessanten Beitrag in der ARD-Mediathek. Er heißt: „Dirty Little Secrets“, und ich möchte Euch Musikinteressierten wirklich empfehlen, sich diese Miniserie anzuschauen. Hier wird detailreich und investigativ auseinander gedröselt, wie wir Musikschaffenden uns seit Jahren offenen Auges berauben lassen, wegschauen, oder sogar aktiv dieses System der Ungerechtigkeit und Ausbeutung unterstützen.

Den meisten von uns ist es zu komplex und zu anstrengend, sich mit unserer Rechtssituation auseinanderzusetzen. Das eigene Leben und die Erschaffung der Kunst sind – wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann – schon anstrengend genug. Aber eigentlich ist es ja der Traum der meisten Kunstschaffenden, von ihrer Kunst Leben zu können. Und theoretisch gäbe es dafür auch genug Geld, wenn nicht in der Umverteilung der Einnahmen das meiste Geld bei den großen Playern und einigen wenigen Superstars und CEOs landen würde (ein Prozent der Stars verdient 90 Prozent des Geldes bei Spotify).

Wer verdient am meisten?

Wer sind die Ausbeuter, die einen Großteil der Musikschaffenden in ihren Krakenarmen halten? Natürlich zuallererst Spotify mit 31 Prozent aller Streams der absolute Marktführer (danach Apple Music mit 15, Amazon mit 13, YouTube mit 8 Prozent …). UND die Labels, allen voran die drei Größten: Universal, Sony, Warner, sie halten 70 Prozent des musikalischen Weltmarktes.

Und wie wird das Geld verteilt, das reinkommt – in diesem Fall die 26 Milliarden (!) Dollar, die die Musikindustrie 2022 erwirtschaftete? Bei Spotify, dem Streamingdienst der am wenigsten pro Stream auszahlt, bringt ein Stream im Schnitt 0,3 Cent (wie auch  bei YouTube). 30 Prozent des Geldes, das Spotify einnimmt, behalten sie selbst. 42,4 Prozent gehen an die Labels. 5,3 Prozent gehen an Musikverlage. 9,7 Prozent gehen an Urheber:innen. 12,7 Prozent gehen an Interpret:innen.

Das heißt das von den 9,99 Euro, die jeden Monat von zig Millionen Konsumenten bezahlt werden nur 0,81 Cent bei denjenigen landen, die die Musik für all diese Hörer generieren.

Die Chefs der großen Labels aber verdienen nahezu unglaubliche Summen: der CEO von Warner, Rob Stringer, bezieht jährlich ein Grundgehalt von zwei Millionen Dollar, plus drei Millionen Dollar Bonus, plus 10 Millionen Dollar in Aktien. Der CEO von Universal, Lucian Grange, verdiente 2022 mehr als 300 Millionen Dollar. Spotify ist aktuell mehr als 25 Milliarden Euro wert.

Daniel Ek, der Erfinder von Spotify, besitzt privat 2,3 Milliarden Dollar, kürzlich versuchte er – wie die meisten dekadenten Superreichen – einen Fußballverein, den FC Arsenal, zu kaufen. Er wurde abgelehnt. Dann hat er anstatt dessen halt 100 Millionen in KIs fürs Militär gesteckt. Das passiert mit dem Geld das Spotify aus Eurer kreativen Arbeit wanzt, von der ihr selber kaum profitiert. Die meisten Künstler:innen können von ihren Streams nämlich nicht im mindesten leben, noch nicht mal ihre Miete bezahlen.

Was tun?

Wir sollten gemeinsam Spotify verlassen. Wir kehren nur zurück, wenn folgende Bedingungen erfüllt werden:
1) Transparenz über die Vereinbarungen zwischen den Labels und den Streamern.
2) Eine faire und bessere Bezahlung, als sie bis jetzt stattfindet. Über die Details wird zu verhandeln sein.
3) Die Umverteilung der Gewinne von oben nach unten und nicht von unten nach oben (warum soll ich mein Geld Harry Styles geben, der ist doch eh längst Multimillionär).

Ich verstehe, dass diejenigen von Euch, die bei Spotify gutes Geld verdienen, sich nicht anschließen werden. Das sind allerdings die wenigsten. Für all die anderen gibt es eigentlich keine Alternative, als endlich aufzubegehren.

(Autorenbild von Kerstin Behrendt)
Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates