Wolfgang Van Halen im Interview: „Man spürt die Geschichte förmlich“

Wolfgang Van Halen im ROLLING-STONE-Interview über das neue Mammoth-WVH-Album „Mammoth II“, seine wichtigsten Einflüsse — und wie es ist, die legendäre Frankenstein-Gitarre seines Vaters zu spielen.

Die Argusaugen der Rockwelt blicken seit seiner Kindheit auf Wolfgang Van Halen. Der heute 32-Jährige spielte bereits in seinen Teenagertagen Bass in der Band seines Vaters (wir sprechen freilich von der 2020 verstorbenen Gitarrenikone Eddie Van Halen) und ist heute sozusagen einer der Wächter über das Van-Halen-Erbe. Dazu gehört auch seine Arbeit mit dem EVH-Gitarrenkonzern.

Mit seiner eigenen Band Mammoth WVH möchte er dann aber doch einiges anders machen, wie er im Interview erzählt. Unkompliziert und harmonisch soll das Bandleben sein (was bei Van Halen, besonders innerhalb des Sänger-Gespanns David Lee Roth und Sammy Hagar, bekanntermaßen nicht immer der Fall war). Im Studio macht er dann aber doch alles alleine — kein Wunder, Van Halen ist seit frühester Kindheit Multiinstrumentalist. Nun veröffentlicht Van Halen das zweite Mammoth-WVH-Album „Mammoth II“ — das er unter anderem als Support-Act für Metallica und Guns N‘ Roses betourte.

ROLLING STONE: Wolfgang, Sie haben als Kind mit dem Schlagzeug spielen angefangen. Glauben Sie, dass das einen Einfluss auf ihre Sichtweise auf alle anderen Instrumente hatte? 

Wolfgang Van Halen: Ja, absolut. Ich denke, ich habe durch meinen Background als Schlagzeuger eine sehr rhythmische Herangehensweise an jedes andere Instrument.

Wer waren Ihre frühen Einflüsse an den Drums?

Mein frühester Einfluss war ohne Frage mein Onkel [Van-Halen-Drummer Alex Van Halen, Anm.], den ich als Kind ständig gesehen habe. Der erste Schlagzeuger, den ich selbst für mich entdeckt habe und der mich wirklich fasziniert hat, war Travis Barker. Ich bin mit Blink-182 aufgewachsen. Ich kaufte mir „Enema Of The State“ und versuchte, alles darauf nachzuspielen.

Später kamen für Sie progressive Metalbands als Einfluss dazu — Tool und Meshuggah beispielsweise.

Ich habe gemerkt, dass ich ein viel besserer Schlagzeuger geworden bin, als ich Tool für mich entdeckte und versucht habe, alles von ihnen nachzuspielen. Tool zu lernen hat mich wirklich weitergebracht. Es begann mit „10.000 Days“, das Album kam raus, als ich gerade in der Highschool war. Dann bin ich zu „Lateralus“ übergegangen. Ich wollte alles von Tool spielen können — und habe es mir im Trial-and-Error-Verfahren beigebracht.

Hatten Sie bei anderen Instrumenten einen ähnlichen Ansatz?

Ja, ich glaube, es kam einfach alles aus dem Wunsch heraus, die Musik, die ich mochte, spielen zu können. Je mehr ich sie hörte, desto mehr wollte ich lernen, wie man sie spielt.

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Sie haben nach Ihrem Debüt aus dem Jahr 2021 relativ schnell nachgelegt, und das, obwohl das zweite Album frische Karrieren ja immer auf die Probe stellt.

Ich schreibe eigentlich ständig Material — und ich hatte bereits eine Handvoll Ideen, die ich gespeichert hatte. Als ich den ersten Teil der Tour fertig hatte, habe ich das Schreiben etwas intensiviert. Es war noch etwas Zeit, bevor ich mit Alter Bridge und Halestorm auf Europatour ging — und so haben wir anderthalb Monate aufgenommen. Als wir von der Tour zurückkamen, haben wir noch einmal einen weiteren Monat gebraucht, um alles fertigzustellen, vor allem den Gesang und ein paar Gitarrensoli. Im Vergleich zum ersten Album ging es also schnell, das dauerte nämlich knapp drei Jahre.

Das erste Album schlug in der Rockwelt ja bereits hohe Wellen. Spürten Sie Druck, noch eins draufzulegen?

Ich glaube, der einzige Druck, den ich verspürte — den ich immer verspüre! – war der, dass ich nicht wollte, dass es scheiße wird. Ich glaube, viele Leute warten auf diese Art von „sophomore slump“, wenn sie eine neue Band sehen. Bands haben ihr ganzes Leben Zeit, um ihr erstes Album aufzunehmen. Aber dann kommt ihr zweites Album raus und sie hatten nicht genug Zeit, daran zu arbeiten – und das ist schlecht. Das wollte ich vermeiden. Ich wollte einfach, dass es etwas ist, auf das ich stolz sein kann und mit dem ich weitermachen kann. Ich bin wirklich zufrieden damit, wie es geworden ist. Keine Frage, ich bin auch wirklich stolz auf das erste Album, aber ich denke, dieses neue Album ist noch besser!

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Wie sieht denn Ihr Arbeitsprozess genau aus?

Wir machen ein Instrument nach dem anderen. Normalerweise habe ich ein grobes Demo mit Logic auf meinem Computer bereits fertig. Wenn wir dann ins Studio gehen, machen wir, je nach Anzahl der Songs, eine Woche lang Schlagzeug, dann Bass, dann Gitarre, dann Gesang – und wir ersetzen einfach jedes Teil des Demos durch die Studiotakes.

Die Songs sind also bereits fertig, bevor es ans Aufnehmen geht?

Ja, zumindest was die Struktur des Songs angeht. Es gibt ein paar Besonderheiten wie Drum-Patterns und Drum-Fills oder Soli, die man während der Aufnahmen auschecken kann, aber wenn es um die Gesamtstruktur und das Tempo des Songs geht, dann ist alles mehr oder weniger fertig, bevor ich ins Studio gehe.

Bereits im frühen Teenageralter tourten Sie mit Van Halen, später mit Tremonti — ich nehme an, zwei Gruppen mit durchaus unterschiedlichen Dynamiken?

Es war faszinierend zu sehen, wie die jeweiligen Bands funktionieren. Bei Van Halen habe ich gelernt, wie ich später einmal meine eigene Band führen wollte. Durch die ganzen Prozesse in der Band wusste ich, dass ich Mammoth zum sicheren Hafen für Spaß und Musik machen möchte. Ein Ort, an dem nichts Übles geschieht. Wo nichts passiert, was die Sache verkompliziert und der Musik in die Quere kommt. Ich lernte, dass ich einfach Spaß mit den Leuten haben und touren wollte, ohne dass irgendwas dazwischen kommt. Das ist mein Mission Statement. Es ist wichtig, dass man diesen Kern immer bewahrt und dann in alle Richtungen ausstreut. So kann man jeden Sturm gemeinsam bewältigen und alles wird am Ende in Ordnung sein.

Sie haben auf den Sozialen Netzwerken ja oft Gegenwind bekommen, aber immer souverän und teils sehr launig reagiert.

Die sozialen Medien sind ein wichtiges Werkzeug für uns, also kann ich mich nicht wirklich davon lösen. Aber ich mache Pausen, wenn ich nicht auf Tournee bin. Ich suche mir einfach die Momente aus, in denen ich denke, dass es sich lohnt, darauf zu reagieren. Es ist okay, solange ich einen Witz darüber machen kann — oder vielleicht versuche, etwas zu korrigieren, das ich für korrigierungswürdig halte.

Eddie Van Halen mit Sohn Wolfgang auf der Bühne

Für ihr neues Album haben Sie für einen Song die „Frankenstein“-Gitarre ihres Vaters Eddie Van Halen verwendet — eine der berühmtesten Gitarren aller Zeiten. Für diejenigen von uns, die nie das Vergnügen haben werden, Frankenstein probezuspielen: Würden Sie uns mal beschreiben, wie sich die Gitarre anfühlt?

Sie besitzt eine Menge Geschichte. Sie fühlt sich wirklich wie dieses Relikt an, wie ein Teil einer besonderen Zeit. Es hat etwas ganz Besonderes, auf ihr zu spielen. Ich weiß gar nicht, wie ich das am besten beschreiben kann: Man spürt die Geschichte förmlich. Ich bin froh, dass ich dieses Gefühl in einem Song für immer festhalten konnte.

Mal pragmatisch gefragt: Fühlt sich eine EVH-Replika der Gitarre ähnlich an wie das Original?

Oh, absolut. Die Replikas sind dem Original wirklich eins zu eins nachempfunden Wir haben viel Zeit damit verbracht, die Replikas zu perfektionieren und dafür zu sorgen, dass sie sich genauso anfühlen, mit den Halsprofilen, dem Spielgefühl des Korpus und anderen Faktoren. Also ja, die Replikas kommen sehr nah ran!

Sie selbst ließen sich in letzter Zeit mit eine neuen Signature-Gitarre blicken — einer Semi-Hollowbody. Das gab es von EVH-Gitarren bislang noch nicht.

Ich habe die Gitarre seit einem Jahr auf Tour, sie wird also auf Roadtauglichkeit geprüft und einem Crashtest unterzogen, wie wir das bei EVH tun. Ich wollte eine EVH-Gitarre spielen, aber gleichzeitig auch eine Semi-Hollow. Die Schönheit einer Semi-Hollowbody mit den Spezifikationen und der Power einer EVH zu kombinieren — genau das wollten wir. Und das ohne diesen Baseballschläger-Hals, den Hollowbody-Gitarren oft besitzen. Ich kann es nicht erwarten, bis die Leute sie endlich in die Hände bekommen.

Wieviel Zeit nimmt die Arbeit mit EVH bei Ihnen in Anspruch?

Das ist schon recht zeitintensiv. Es gibt eine Art kollektiven Brain-Trust von Leuten bei EVH und Fender, der sich vierteljährlich trifft, um die Marke mit Matt Bruck [Eddie Van Halens langjähriger Gitarrentechniker, Anm.] zu führen. Glücklicherweise ist er eine sehr sachkundige und kluge Person, wenn es um das Innenleben der Marke geht, denn er hat mit meinem Vater während der gesamten Zeit zusammengearbeitet. Also ja, das Gehirn der Sache ist einfach in großartigen Händen. Und wir haben eine Menge Dinge, an denen wir für die Zukunft arbeiten und die sehr aufregend sind! Meine Signature-Gitarre ist nur eins davon.

Ethan Miller Getty Images
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