Darum geht es in Mike Krügers Gaga-Hit „Der Nippel“ wirklich

„Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche zieh’n“ hat einen (fast) ernsten Hintergrund.

Vielleicht ist es ein Mythos, dass die Deutsche Nationalmannschaft nach dem Gewinn der Europameisterschaft 1980 in Italien auf dem Rückflug lauthals im Flieger „Der Nippel“ sang. Angeblich hatte eine Flugbegleiterin mit Zitaten aus dem Witzschlager von Mike Krüger die Sicherheitsvorkehrungen erklärt – und dann gab es kein Halten mehr.

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Aber die Anekdote weist schnell daraufhin, worum es eigentlich in diesem erstaunlichen Stück deutscher Schlagergeschichte geht: den Irrsinn deutscher Anleitungs- und Vorgabetexte. Mike Krüger wollte sich mit seinem eher aus Zufall entstandenen Song über den deutschen Verpackungswahn und vor allem überkomplizierte (und daher juristisch sattelfeste) Gebrauchs- und Bedienungsanleitungen lustig machen.

„Der Nippel“ hat seinen eigenwilligen Charme bewahrt

„Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche zieh’n/ und mit der kleinen Kurbel ganz nach oben dreh’n / da erscheint sofort ein Pfeil / und da drücken Sie dann drauf /und schon geht die Tube auf!“, heißt es im Refrain. Das lyrische Ich scheitert an der Öffnung einer Senftube und an der Bedienung eines Kaffeeautomaten an einer Tankstelle. Viel verändert hat sich seit 1980, als „Der Nippel“ erschien“ und sich 26 Wochen in den deutschen Charts hielt, nicht. Noch immer lugt hinter dem gewitzt-plumpen Text ein Stück deutscher Obsession hervor, alles richtig machen zu wollen und gerade damit allen das Leben schwer zu machen.

Die fortschreitende Technisierung wurde allerdings zu Beginn der 80er noch anders wahrgenommen als heute, die Komplexität einiger Maschinen und immer raffinierter werdender Alltagsgegenstände erschien einer ganzen Generation als ungeheuerlich. Man springt aus einem Flugzeug und bekommt den Fallschirm nicht mehr geöffnet, weil die Anleitung zu schwierig zu lesen ist – das ist die Quintessenz von Mike Krügers „Der Nippel“, das natürlich wegen seiner anzüglichen Konnotation (in der noch etwas 70er-Schulmädchenreport-Schlüpfrigkeit mitschwingt) sofort zum geflügelten Wort wurde.

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Musikalisch reiht sich das Lied fast schon beispielhaft ein in eine Reihe von Blödelschlagern von Otto Waalkes über Jürgen von der Lippe und Karl Dall. Die vermeintlich geradlinige, heile Schlagerblase wurde mit gepfefferter Ironie, manchmal auch einfach nur Nonsense aufgestochen. Im Grunde ist diese Bewegung das Komplement zur Neuen Deutschen Welle, die den Schlagerwahn der Deutschen von der anderen Seite her aufbrach.

In den Jahren nach seiner Veröffentlichung fehlte „Der Nippel“ auf kaum einer Party-Kompilation, Mike Krüger war „verdammt“, seinen Hit, der nicht der einzige seiner Karriere war (schon mit „Mein Gott, Walther“ hatte der Komiker 1975 einen großen Erfolg verbucht), bei vielen TV-Auftritten vorzuführen. Musik blieb stets ein Teil seines komischen Spiels, das in 80ern an der Seite von Thomas Gottschalk in zahlreichen Filmklamotten wie „Piratensender Powerplay“ auch für bemerkenswerte Tiefpunkte der deutschen Komödienkultur sorgte.

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Und in manchen Haushalten wird noch heute gewitzelt, wenn mal wieder ein glorioser Kampf gegen einen widerborstigen Alltagsgegenstand zu scheitern droht, da müsse halt nur der Nippel durch die Lasche gezogen werden.

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