Birgit Fuß fragt sich durch: Wann wurde „Hippie“für viele zum Schimpfwort?

Warum sind Protestsongs so unbeliebt geworden – zu Hilfe, Donovan!

Kürzlich wurde das Wort „Eigenverantwortung“ zur Floskel des Jahres gewählt, denn es wurde, so die Juroren, „fehlgedeutet als Synonym für soziale Verantwortung und gekapert von Impfgegner*innen als Rechtfertigung für Egoismus“.

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Schade, denn zumindest ohne das „Eigen-“ davor ist es vielleicht eines der wichtigsten Wörter überhaupt – nicht nur für Politiker*innen, Firmenchefs und Päpste, sondern für alle Menschen. Was Verantwortung bedeutet, habe ich zum ersten Mal verstanden, als ich genügend Englisch konnte, um Donovans „Universal Soldier“ zu folgen.

Das Lied wurde von Buffy Sainte-Marie geschrieben, doch berühmt machte es 1965 Donovan. Ungefähr zwanzig Jahre später war ich fasziniert von der schlichten Wahrheit dieser Zeilen. Ob groß oder klein, alt oder jung, mit Raketen oder Speeren – durch die Jahrtausende ist eines immer gleich geblieben: „He knows he shouldn’t kill/ And he knows he always will/ Kill you for me, my friend, and me for you.“

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Es ist eigentlich egal, um welches Land es geht, um welche Religion oder welchen Zweck, ein Krieg ist niemals zu gewinnen. Donovan sang von dem schlesischen Ort Liebau, während im Original Da chau erwähnt wurde – in dem Landkreis bin ich aufgewachsen, am KZ dort oft vorbeigefahren. Ohne Soldaten kein Siegeszug von Hitler oder Cäsar: das kam mir logisch vor. Aber eben auch nicht ohne all die anderen Menschen, die mitliefen oder zuschauten.

Damit endet dieses Lied, das kaum länger ist als zwei Minuten: „He’s the Universal Soldier and he really is to blame/ His orders come from far away no more/ They come from here and there and you and me/ And brothers, can’t you see/ This is not the way we put an end to war.“

Die „sisters“ wurden wohl vergessen, aber das soll hier keine Rolle spielen. Denken Sie gerade, ach, dieses Hippie-Zeug ist ja putzig, aber doch so vorgestrig? Ja, leider. Spätestens seit Johnny Rotten ein „I hate Pink Floyd“-Shirt trug und ausgerechnet Bob Geldof 1981 bei einem Konzert der Boomtown Rats in der Menge den Gong-Kopf Daevid Allen sah und prompt das Publikum aufforderte: „Kill the hippie!“

Das kann nur ein kolossales Missverständnis gewesen sein – oder ein Witz. Inzwischen wird das Wort „Hippie“ oft wie ein Schimpfwort benutzt, Träumer gelten nicht mehr viel – und auch der Protestsong ist schon lange nicht mehr angesehen.„Mixing pop and politics/ He asks me what the use is/ I offer him embarrassment und my usual excuses“, sang Billy Bragg 1988 in „Waiting For The Great Leap Forwards“.

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Aber warum muss einem soziales Engagement eigentlich peinlich sein, wieso braucht es dafür Entschuldigungen? Wann wurde es eigentlich unhip, sich für eine bessere Welt einzusetzen?Wahrscheinlich ungefähr als das Wort „Gutmensch“ zur Beleidigung wurde.

Billy Bragg kann solche Schmähungen aushalten, er hat genügend Widerstandskraft. Bei Donovan kommt zum Idealismus noch dazu, dass er so sanft wirkt – als würde er jede Stubenfliege vorsichtig nach draußen in die Freiheit tragen. (Auch 1965 schrieb er übrigens eines der zauberhaftesten Lieder über vergebliche Liebe: „Catch The Wind“.)

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Wikipedia definiert den Hippie als „Mitglied der in den 1960er-Jahren in den USA entstandenen großen gegenkulturellen Jugendbewegung, für die unter anderem Naturverbundenheit, Konsumkritik sowie der Bruch mit den damals gängigen Lebens- und Moralvorstellungen im Sinne einer friedlicheren und humaneren Welt zentral“ waren.

Natur, Freiheit, Frieden: Wer möchte nicht Teil dieser Jugendbewegung sein, auch weit übers Jugendalter hinaus? Geht ja auch ohne Batikhosen.

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