Ghostface Killah: „Wu-Tang Clan ist niemals vorbei“

Ghostface Killah, Gründungsmitglied des Wu-Tang Clan, über sein neues Album „Supreme Clientele 2“.

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In den 90er Jahren schrieb die New Yorker Rap-Formation Wu-Tang Clan mit ihrem düsteren, surrealen Sound, ihrer experimentellen Lyrik und ihren humorvollen Referenzen an Comics und Kung-Fu-Filmen Hiphop-Geschichte.

Seitdem haben es seine Mitglieder auch als Solo-Künstler zu Erfolg gebracht. 25 Jahre nach seinem von Kritikern als Meisterwerk gelobten Album „Supreme Clientele“ hat Gründungsmitglied Ghostface Killah nun mit „Supreme Clientele 2“ eine Fortsetzung folgen lassen.

Im Interview mit ROLLING STONE spricht der Musiker über die Bedeutung von Konzeptalben, Ausbeutung in der Musikindustrie, Kanye Wests Produzentenrolle und das ewig währende Vermächtnis des Wu-Tang Clan.

Vor zwei Wochen ist Ihr neues Album „Supreme Clientele 2“ erschienen, der Nachfolger zu „Supreme Clientele“ aus dem Jahr 2000. Sind Sie zufrieden mit den Reaktionen?

Ja, ich kann mich nicht beklagen. Gerade dafür, dass es der zweite Teil zu einem bekannten Werk ist, ist das Feedback sehr positiv. Ich bin zufrieden.

25 Jahre ist eine lange Zeit bis zu einer Fortsetzung. Warum haben Sie so lange gewartet, und was hat sich jetzt richtig angefühlt?

Ich war die ganze Zeit mit anderen Projekten beschäftigt. Also war ich nicht auf „Supreme Clientele“ fokussiert und ich wollte mich damit auch nicht hetzen. Das Timing sollte stimmen. Vor fünf oder sechs Jahren habe ich dann darüber nachgedacht, die Fortsetzung endlich anzugehen, aber dann haben die Deals nicht gestimmt. Es ist nicht mehr wie früher – heute will dir jemand 50.000 Dollar für ein Album geben. Damit kann ich doch nichts anfangen, das deckt nicht einmal die Ausgaben. Doch dann hat mich Mass Appeal kontaktiert und ich vertraue Nas [der Gründer des Musiklabels Mass Appeal, Anm. d. Red]. Ich würde mich immer lieber mit einem Bruder zusammensetzen als mit irgendjemanden, der dich nur melken will.

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Sie kommen aus einer Zeit, in der für einen einzigen Rap-Song eine Millionensumme gezahlt werden konnte. Haben Sie das Gefühl, dass Hiphop-Künstler:innen finanziell nicht genug Anerkennung erfahren?

Ohne Zweifel. Das ist traurig, aber man muss sich anpassen – gerade an Situationen, die nicht in deiner Hand liegen. Hip Hop ist eine Industrie, und du musst Deals aushandeln. Mit den Veränderungen muss man klarkommen, Hip Hop ist schließlich ein Spiel. Es gibt immer jemanden, der mehr Geld machen will. Finanzpartner im Hip Hop haben ein Interesse daran, Künstler am Boden zu halten, um zu verhindern, dass sie sich zusammentun und ihren eigenen Vertrieb organisieren. Auch beim Streaming gibt es jemanden, der sich das Geld in die Tasche steckt. Es ist nur eben nicht der Künstler. Ich bekomme für eine Millionen Streams 4000 Dollar, kann man sich das vorstellen? Aber da kann man nichts machen, es sei denn, wir Künstler tun uns zusammen, finden gemeinsam neue Outlets und entfernen diejenigen, die das große Geld machen. Wir Künstler brauchen einander.

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Sie sagten einmal, „Supreme Clientele“ sei ein Geisteszustand. Wie haben Sie sich 25 Jahre später wieder in dasselbe Mindset wie damals hineinversetzen können?

Man muss wissen, womit man arbeitet. Und die Grundvoraussetzung ist innerer Frieden. Jeder Tag ist ein Scheißproblem, aber du musst diese innere Ruhe ermöglichen, um zur Musik zu finden. Musik bedeutet, einen Vibe zu erschaffen. Und das können viele Künstler gar nicht – ihre Zuhörer auf eine Reise mitnehmen. „Supreme Clientele“ nimmt dich zurück bis in meine Kindheit. Wir kommen aus den Stadtparks, von den Break Beats, von den Melodien James Browns. Diesen Geisteszustand muss man finden, und das kann man nicht lernen. Entweder man weiß, wenn man den richtigen Sound gefunden hat, oder eben nicht.

Was ist denn dieser charakteristische Sound von „Supreme Clientele“ 1 und 2, der die Alben von anderen Ihrer Produktionen in den letzten 25 Jahren abheben lässt?

Es ist die Farbenpracht der Musik. Es geht darum, Momente zu erschaffen. Und darum, sie in der richtigen Reihenfolge zu organisieren. Das ist der schwierigste Teil. Man muss den Zuhörer am Ball halten. Alles muss zusammenpassen. Das ist wie Kuchenbacken.

Ihr Augenmerk auf die Song-Reihenfolge ist ungewöhnlich in einer Musikindustrie, in der oft einzelne Songs zu Hits werden. Konzeptalben sind im Hip Hop selten geworden.

Dabei ist das Gesamtwerk so wichtig. Hätte ich die Songs auf dem Album in gegensätzlicher Reihenfolge aufgereiht, wäre es ein ganz anderes Album. Die Frequenzen und Vibrationen der Songs müssen aufeinander abgestimmt sein. Das ist wie guter Wein. Ich habe Stunden und Tage im Studio verbracht, nur um die Konzeption der einzelnen Songs im Gesamtwerk zu perfektionieren. Viele Künstler schreiben Songs und hauen sie einfach irgendwie auf einer Platte zusammen. Nein, da muss eine Strategie hinter stehen. Das habe ich von RZA gelernt und diese Technik geht auf unser erstes Wu-Tang-Album zurück. Und diese Komplexität und anspruchsvolle Konzeption erwarten unsere Zuhörer auch von uns.

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Sie haben gerade RZA, Ihren Wu-Tang-Kollegen und langjährigen Produzenten, erwähnt, der auch die Beats für „Supreme Clientele“ gemacht hat. Wieso war er an „Supreme Clientele 2“ nicht beteiligt?

Das war gar keine künstlerische Entscheidung, er ist nur gerade mit sehr vielen anderen Dingen beschäftigt. Er ist jetzt mehr auf „Behind the Scenes“-Projekte und Schauspiel fokussiert als auf Beatmaking. Dass er auf diesem Album nicht dabei war, hat gar nichts zu bedeuten. Ich war in „Go-Mode“ und wollte nicht darauf warten, dass er Zeit findet. Aber er ist und bleibt mein Bruder. Ohne ihn wäre ich nicht hier.

Vor ein paar Jahren gab es Gerüchte, Kanye West werde „Supreme Clientele 2“ produzieren. War das jemals geplant?

Ich weiß nicht, wo diese Behauptung damals herkam. Aber Kanye hat mich dann tatsächlich kontaktiert und wollte „Supreme Clientele 2“ produzieren. Er wollte dafür jedoch nur sieben Tage Zeit anberaumen. Ich schlug ihm vor, ihn zum leitenden Produzenten zu machen, um seinen Namen unter dem Projekt stehen zu haben. Das wollte er dann innerhalb von einem Monat abschließen, und das war nichts für mich. In meinen Augen ist Kanye einer der besten Produzenten. Aber bei einem Projekt wie „Supreme Clientele 2“ braucht man mehr als nur sieben Tage. Es ist ein Herzensprojekt, und ich muss mich damit wohlfühlen. Da braucht es einen ganz feinen Kamm. Und das braucht Zeit.

Ghostface Killah: „Wir als Wu-Tang Clan können noch so einige Moves machen“

Liegt dem Album eine bestimmte Erzählung zu Grunde, trägt es eine bestimmte Botschaft in sich?

Es will einfach nur gute Musik sein. Das ist die einzige Botschaft, die es hat. Musik, zur der du lachen und weinen kannst, mit der du auf eine Reise gehen kannst. Genieße es.

Wie haben Sie sich in diesen letzten 25 Jahren verändert?

Jede Menge. Du musst dich verändern, oder du kannst einpacken. Alles verändert sich, ich verändere mich, jetzt in dem Moment, wo wir sprechen. Und du auch. Ich bin spirituell und emotional ein anderer Mensch.

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Veränderungen gab es in letzter Zeit nicht nur bei Ihnen persönlich, sondern nach dem Ende der Abschiedstour im Juli auch für Wu-Tang Clan. Heißt das, dass Wu-Tang Clan nun Geschichte ist, oder nur seine Zeit als Live-Band?

Wu-Tang Clan ist niemals vorbei. Die Zeit der Touren ist vorbei, aber Wu-Tang Clan ist für die Ewigkeit. Die Rolling Stones machen noch Musik, Bruce Springsteen macht noch Musik, Billy Joel gibt es noch – und wenn ich mir das anschaue, denke ich, wir als Wu-Tang Clan können noch so einige Moves machen.

Wo soll Hip Hop sich Ihrer Ansicht nach in den nächsten Jahren hinbewegen, und wie wollen Sie dazu beitragen?

Macht gute Musik. Wir brauchen weniger Musik, in der es darum geht, sich gegenseitig kaputtzumachen, und mehr Musik, die von Dankbarkeit spricht. Man kann nicht aufhalten, was in den Ghettos vor sich geht. Und es wird auch immer eine Stimme geben, die das beschreibt. Das verstehe ich auch. Aber wir sollten die Geschichte neu schreiben und zu positiver Musik finden. Radios lieben es, Songs zu spielen, in denen es um Gewalt und Tod geht. Aber Musik ist Gehirnwäsche, sie verändert, wie du denkst und dich fühlst – und genau aus diesem Grund müssen wir anfangen, im Hip Hop positive Energie zu übermitteln. Die Welt ist schon schlimm genug. Die neue Generation hat keinen Respekt. Wir haben als Kinder Frauen die Türen aufgehalten und alten Menschen ihren Einkauf die Treppen hochgetragen. Selbst an den schlimmsten Straßenecken haben wir unsere Joints ausgemacht, wenn eine alte Dame vorbeikam. Die heutige Generation ist anders. Und wenn wir Veränderung wollen, müssen wir in uns anfangen, und zwar gemeinsam.

Was ist das Vermächtnis, welches Sie dieser neuen Generation hinterlassen möchten? Was sollte sie vom Wu-Tang Clan lernen?

Preist Gott und schreibt positiven Rap. Egal an wen oder was du glaubst und egal in welcher Form und Sprache, nimm dir Zeit, dich auf Dankbarkeit zu konzentrieren. Sei dir bewusst, was in der Welt vor sich geht, was die Regierung tut, ob es um Lebensmittel geht, um Künstliche Intelligenz oder um Krankheiten. Dich in meinen Rapsongs umzubringen, ist nicht die Antwort.