Nachruf

Alfred Biolek: Der fabelhafte Grandseigneur des deutschen Fernsehens

Der Begriff „Biolek“, ja „Bio“, galt vielen als Synonym für Fernsehunterhaltung. Erinnerung an einen großen Fernsehmacher.

Zu seinem 80. Geburtstag brachte der WDR eine ganze Nacht lang Zusammenschnitte seiner Sendungen und eine Dokumentation, die nur seinen Namen trug: Alfred Franz Maria Biolek. Wer in den 70er-Jahren in Deutschland aufwuchs, der begriff „Biolek“, ja „Bio“ als Synonym für Fernsehunterhaltung. Er der wirkungsmächtigste, der erfindungsreichste und unwahrscheinlichste aller Fernsehleute. Wohl war er ein „Talkmaster“ im eigentlichen Sinn des Wortes – aber das war schon seine zweite oder dritte Karriere.

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Alfred Biolek ist tot

Am 10. Juli 1934 wurde Alfred Biolek in Freiberg in der Tschechoslowakei geboren, Sohn des Rechtsanwalts Joseph Biolek und seiner Frau Hedwig, einer Laienschauspielerin. Beide Talente erbte Alfred. Joseph Biolek, zweiter Bürgermeister von Freiberg, war in der Sudetendeutschen Partei engagiert. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Familie von der Roten Armee aus Freiberg vertrieben und ließ sich im baden-württembergischen Waiblingen nieder, wo Alfred das Gymnasium besuchte.

Alfred Biolek am Würstchenstand

1951/52 war er als einer der ersten Austauschschüler des AFS-Programms in den USA – eine Erfahrung, auf die Biolek immer wieder rekurrierte. Nach dem Abitur studierte er Jura in Freiburg im Breisgau, München und Wien und schloss 1958 mit einem glänzenden Staatsexamen ab, arbeitete an der Freiburger Universität und wurde 1962 promoviert. Mit Kommilitonen gründete er die Kabarettgruppe „Das trojanische Pferd“ – auch die ersten Einladungen zu Abendessen in seiner Studentenstube fielen in diese Zeit.

Als Justitiar wurde Biolek im Jahr 1963 beim ZDF eingestellt. Doch bald folgte er seinem Impetus zu Gespräch und Unterhaltung und wagte sich in Sendungen wie „Tips für Autofahrer“, „Urlaub nach Maß“, „Nightclub“ und „Die Drehscheibe“ vor die Kamera, ein dem Habitus nach biederer, beflissener Moderator. Aber 1970 änderte Alfred Biolek seine Lebensweise: Er zog von Waiblingen nach München, ging mit Männern aus und gehörte zur Boheme um Rainer Werner Fassbinder.

Liebling des Publikums

Von 1974 an produzierte er für die ARD Rudi Carrells Samstagabend-Show „Am laufenden Band“ und entdeckte Monty Python’s Flying Circus fürs deutsche Fernsehen. Mit Dieter Thomas etablierte er 1976 den „Kölner Treff“ beim WDR, eine Talkshow, die es noch heute gibt.

Nun war Biolek nicht mehr zu halten. 1978 war er erstmals Gastgeber und Vorsteher in „Bio’s Bahnhof“, einem Tingeltangel aus Varieté, Zirkus, Tanz, Musical, Chanson und Gespräch in einem stillgelegten Eisenbahndepot. Hier war Biolek ganz bei sich und wurde zum – alter Begriff! – Publikumsliebling. Legende sind die Sendungen mit Helen Schneider, Kate Bush und Eberhard Schöner samt The Police; der allerlegendärste Auftritt ist der von Sammy Davis Jr.: Der Gigant aus Las Vegas lobte „Bio’s Bahnhof“ in einer improvisierten Ansprache als einzigartige Fernsehshow. Biolek steppte mit ihm über die Bühne.

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Meister der Plauderei

Schöner konnte es nicht mehr werden. 1982 schloss Biolek seinen Bahnhof und machte die mäßig erfolgreichen Talk-Sendungen „Bei Bio“ (1983/84) und „Mensch Meier“ (1985 bis 1991). Dann änderte er das Ambiente, die Sessel wurden bequemer, das Gespräch kommoder: „Boulevard Bio“ war die Versöhnung von Savoir vivre, Plauderei und Bonhomie, die Biolek patentiert hatte und die ihm später manchmal vorgehalten wurde.

Aber nur Biolek konnte so dezent und wohltemperiert mit dem Dalai Lama sprechen, mit Reinhold Messner und Iris Berben und Helmut Kohl.

Rosa von Praunheim fragte 1991 in der Krawallsendung „Der heiße Stuhl“, weshalb Alfred Biolek nicht endlich sage, dass er schwul sei. Über diesen Auftritt war Biolek zwar zunächst indigniert, doch konzedierte er später, dass sich eine Verkrampfung löste.

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König der Kochshows

1994 begann Alfred Bioleks vielleicht populärste Sendung, die Kochshow „alfredissimo!“ im Vorabendprogramm der ARD. Jeweils am Freitag kochte er mit Prominenten in einer eingerichteten Studioküche. In 459 Episoden pries er die böhmische Hausmannskost seiner Mutter, lobte den deutschen Riesling und mied Schweinefleisch.

Die halbstündigen Sendungen inspirierten viele andere Koch-Shows mit vielen anderen Köchen – aber nur bei „alfredissimo!“ kochten Karel Gott und Alice Schwarzer, Blixa Bargeld und James Last. Die Behaglichkeit dieses angenehmen, diskreten und hoch gebildeten Mannes machte es den Gästen einfach. Erst 2007 wurde diese Institution eingestellt.

Biolek und „Boulevard Bio“

Alfred Biolek lebte abwechselnd in Köln und Berlin. In seiner Berliner Wohnung stürzte er 2010 auf der Treppe und lag einige Tage im Koma; sein Freund (und Adoptivsohn) Scott Ritchie pflegte ihn seither. In einem seiner letzten Interviews sagte er mit heiserer, dünner Stimme: „Ich habe abgeschlossen.“

Aber es gilt die Sentenz: „Ich wollte Priester werden, Zirkusdirektor oder Dirigent – und ich bin von allem etwas geworden.“ Der größte Fernsehmann Deutschlands starb Freitagmorgen (23. Juli) im Alter von 87 Jahren in Köln.

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