Blow your mind

Sex, Drugs and Rock'n'Roll, so die Legende, heiße die klassische Dreieinigkeit der Popmusik. Speziell die Drogen beeinflussten ab Mitte der 60er Jahre sowohl musikalisch als auch lyrisch viele Künstler vom Folkrock bis - wie man auf der neuen "Rare Trax" hören kann - Soul und Funk. Blow your mind!

Als Mitte der 60er Jahre die bewusstseinserweiterenden Drogen en vogue waren, schlug sich das auch in der Musik vieler britischer und amerikanischer Folkrockbands niedet Aus den einfachen Songstrukturen würden flächigere, komplexere Soundgebilde. Ende der 60er strahlten diese Einflüsse auch auf die vorwiegend schwarze Soulmusik aus. Harte Rhythmen, unerhörte Soundeffekte und längliche Instrumentalstücke führten direkt zum Funk. Während sich die Drogenerfahrungen, ähnlich wie im Folkrock, zunächst anspielungsreich in den teilweise spirituaüstischen Texten des Psychedelic Soul wieder fanden, bekamen die Songs mit der Zeit auch eine soziale Komponente. Die verheerenden Folgen der harten Drogen schlugen durch. Ernüchterung machte sich breit 1969 veröffentlichten ausgerechnet die Motown-Darlings von den Temptations mit „Cloud 9“ einen Meilenstein des Psychedelic Soul. Kurz zuvor war David Ruffin, der Star von Hits wie „My Girl“ aufgrund von Ego-Eskapaden durch den Ex-Contour-Sänger Dennis Edwards ersetzt worden, dessen rauhe Stimme sich für das neue Material besonders gut eignete. Der Einfluss des neuen Produzenten Norman Whitfield, der den alten Temptations-Sound etwas aufmischen sollte und später auch mit ihnen die Hits „Papa Was A Rolling Stone“ und „Ball Of Confusion“ aufnahm, ist vor allem auf der ersten Seite des Albums zu hören. Der Opener und Titelsong des Albums dürfte mit seinem frühen Funk und der drastischen Drogenallegorie so manch alten Fan verschreckt haben. „You can be what you wanna be / You ain’t got no responsibility/ Every man is free / You’re a million miles from reality.“ Seite zwei kehrt dann wieder zum klassischen Soul zurück.

Schärfster Funk, der an die rockige Seite von Funk-Heroen wie Sly & The Family Stone erinnert, aber auch Soul Rhythm’n’Blues und Jazz flössen in die Jam-Session in einem Detroiter Studio ein, aus der das heute äußerst rare Album von Damn Sam The Miracle Man And The Soul Congregation entstand. Predigersohn und Sänger AC Tolbert kommt ohne verschleiernde Bilder aus und fordert ganz direkt: „Give me another Joint / I just wanna get higher.“

Die Dramatics – ein Vokalsextett, ebenfalls aus Detroit – sahen das etwas anders und warnten 1973 auf ihrem Album „A Dramatic Experience“ vor Drogenkonsum: „The devil is dope / Out of control / Up to get your soul.“ Leadsänger William „Wee Gee“ Howards klingt hier ziemlich nach dem bereits erwähnten David Ruffin. Star der frühen, braven Temptations, was die Nummer gefährlich nahe an eine Parodie rückt.

Nat Adderley aus Tampa/Florida, Bruder des großen Alt-Saxofonisten Cannonball, der Mitglied des Miles Davis Quintetts war, war selbst ein großer, an Davis geschulter Kornett-Spieler und auch als Sänger so übel nicht, wie man auf seinem 74er Album „Double Exposure“ hören kann, das vom legendären Jazz- und Soulproduzenten David Axelrod arrangiert wurde. In „Quit It“ fleht er einen Freund an: „Brother, don’t you know now/ That you ‚re killing yourself and nobody eise/ Why don’t you quit it now.“

„Ladies and gentleman/ Fellow Americans/ Lady Americans/ This is James Brown/ I wanna talk to you about one of our the most deadly… killers in the country today™“ Der legendäre Einstieg in einen der größten Drogensongs überhaupt von einem, der’s wissen muss: James Brown. „King Heroin“, die eindringliche Schilderung seiner Heroinsucht auf dem 72er Album „There It Is“, ist mit seinem chilligen Jazz-Arrangement zwar ein untypischer, aber doch einer der besten James Brown-Songs überhaupt.

Niemand konnte wohl das Leben auf den Straßen der amerikanischen Großstädte besser einfangen als Curtis Mayfield. Eine hervorragende, wenn auch ungewöhnliche Entscheidung war es daher, ihm den Auftrag für den Soundtrack des Blaxploitation-Films „Superfly“ zu engagieren. Natürlich hat er nicht die doch recht simple Story vertont, sondern den Film zum Anlass genommen, in einigen Songs auf die sozialen Missstände im amerikanischen Großstadtleben hinzuweisen. So auch auf den „Pusherman“, den kleinen Dealer, der auch nur versucht, über die Runden zu kommen: „A man of odd circumstance/ A victim of ghetto demands/ Got a woman I love desperately/ Want to give her something better than me/ Be told can’t be nothin‘ else/ just a hustler in spite of myself/ I know I can’t make it/ This life just don’t make it.“

Nach Brown und Mayfield nun wieder eine Obskurität: James Shaw alias The Mighty Hannibal machte in den 50ern und 60er zunächst mit seiner Band The Overalls und dann später solo etliche exquisite R n’BÄngles. Sein bekanntestes Stück war wohl ein Anti-Vietnam-Song, der Gospel-Blues „Hymn No. 5“ von 1966. Schon damals war Shaw schwer auf Heroin, schaffte erst 1972 den Entzug und schrieb daraufhin den Anti-Drogen-Song „Truth Shall Set You Free“.

Mit Dillinger gehen wir noch mal zurück auf das Terrain der letzten „Rare Trax“ „Jamaican Gold“, denn der als Lester Bullocks geborene DJ ist neben U-Roy und Big Youth einer der angesehensten jamaikanischen Toaster. 1976 lieferte er mit „CB 200“ sein Meisterwerk ab, auf dem sich auch der Hit „Cocain In My Brain“ befand, in dem er lyrisch wie auch soundtechnisch den Kokain-Rausch abbildete: „A knife, a fork, a bottle and a cork/ That’s the way we spell New York.“ Den Sound dürften wohl The Clash verinneriicht haben, und so war Dillinger auch in der britischen Punk- und New Wave-Szene ein großer Name.

Der charakteristische Bo Diddly-Beat gehört wohl zur Grundausbildung in der Rock n Roll-Schule. Bei Bo klaute von Buddy Holly bis zu The Who wohl jeder. Seine große Zeit hatte Diddley in den 50ern und frühen 60ern, aber auch danach musste man immer mal wieder mit ihm rechnen. So gibt’s auch einige schöne Songs auf dem 74er Album „Big Bad Bo“, auf dem er sich um einen neuen Sound bemühte und gelegentlich klang wie die Funk-Version von JJ Cale. In „The Pusher“ warnt er vor dem Dealer: „You better listen to mum and dad.“

Funkadelic ist die LSD-Version von George Clintons Parliament und stand unberechtigter Weise meist im Schatten der Schwesterband. Das Überzeugendste Album mit ihrer Mischung aus Psychedelia, Blues mit einer gehörigen Spur Funk und Soul ist wohl „Maggot Brain“. Das über zehnminütige Titelstück ist der Ausgangspunkt der Band-Mythologie: „Mother earth is pregnant for the third time/For ya’U have knocked her up/I have tasted the maggots in the mind of the universe/I was not offended/ For I knew I had to rise above it all/Or drown in my own shit.“ Laut George Clinton wurde das Stück in einem einzigen Take aufgenommen. Einige Spuren löschte Clinton aber am Ende wieder, um dem Gitarrensolo von Eddie Hazel mehr Raum zu geben. „Play like yo‘ momma just died“, hatte er ihm vorher gesagt.

Josef Saddler alias Grandmaster Flash brachte Hip-Hop lyrisch als auch soundtechnisch in völlig neue Dimensionen. Viele DJ-Techniken wie „Cutting“ (zwischen zwei Tracks wechseln und den Beat halten), „Back Spinning“ (per Hand die Platte drehen, um eine bestimmte Passage zu wiederholen) und das „Phasing“ (Manipulieren der Turntable-Geschwindigkeit) gehen auf ihn zurück. Nach seinem 82er Meisterwerk „The Message“ veröffentlichte er 1983 die Single „White Lines (Don’t Do It)“, eines seiner besten Stücke überhaupt, wenngleich diese Anti-Kokain-Polemik musikalisch näher am Old School Rap ist.

Bonus Track: Die Liste der Songs, die sich mit Drogen beschäftigen ist lang; viele der Bilder sind unbeholfen bis schräg, und einige Songs, von denen man immer dachte, sie seien Drogen-verherrlichend, waren ganz anders gemeint, wie zum Beispiel „Lucy In The Sky With Diamonds“ der Beatles oder aber Vico Torrianis B-Seite seiner 64er Single „Auf der Hütt’n (Hey Hey Hey)“, „Zwei Spuren im Schnee“ – ein Ausblick auf die nächste „Rare Trax“. Mehr wird hier aber nicht verraten.

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