Der Geist von Malente

Damals gab es Hühnerfrikassee und Steaks am Tag des Finales, und zwar zum Frühstück, und der Koch der deutschen Fußballnationalmannschaft schmuggelte für die Spieler eine Flasche Wein ins karge Herbergszimmer. Kleines dickes Müller kreiselte durch den Strafraum, Paul Breitner kokettierte mit der Mao-Bibel und posierte mit Uli Hoeneß halbnackt vor einem Sportwagen, und Franz Beckenbauer übernahm während der Weltmeisterschaft 1974 die Kontrolle über die enttäuschte Mannschaft, die gegen den Haufen aus der DDR verloren hatte. „Malente“ bedeutete Training und Männer-Maloche, und in den Erzählungen von dieser Stätte wirkte es immer so, als handle es sich mindestens um eine Kasernierung, wenn nicht um ein Straflager. Geld gab es wenig, nur Beckenbauer war schon für Tütensuppe im Einsatz.

Heute sprüht der Spielführer, längst zum Kaiser avanciert, für eine Telefonfirma Schaum auf den Bildschirm, jongliert mit Bällen oder fährt mit Verona Feldbusch im Schlitten. Beckenbauer hat die Fußball-Weltmeisterschaft zwar nicht erfunden, er hat sie aber nach Deutschland geholt, wie es heißt, und über die Methoden, wie dies gelingen konnte, gibt es die schönsten Gerüchte. Eine Version lautet, daß die internationalen Honoratioren sich dem Charisma des Kaisers nicht entziehen konnten. Jedenfalls kann sich niemand der Präsenz des Kaisers entziehen. Beckenbauer ist so etwas wie der Vorsitzende der deutschen Fußballweltmeisterschaft, er ist auch Fußballweltmeister, als Spieler und als Trainer. Er kommentiert die Spiele von Bayern München, in dessen Aufsichtsrat er sitzt, und er kommentiert die Spiele der Fußballnationalmannschaft, und er kommentiert die Leistungen des Trainers der Nationalmannschaft.

Der Trainer ist Jürgen Klinsmann, der unter Beckenbauer 1990 Fußballweltmeister wurde und sich nach der Demission von Rudi „Tante Käthe“ Völler sehr überraschend und aufdringlich als neuer Betreuer ins Gespräch gebracht hatte. Aus Amerika, wie es damals immerzu hieß. Klinsmann war als Spieler ein Abstauber, der vor dem gegnerischen Tor herumstolperte und durch hurtiges Laufen ziemlich viele Tore erzielte. Außerhalb des Platzes war er ein schwäbelnder Unsympath und Egoist, der bei Bayern München nicht reüssierte und sich bei Tottenham Hotspur einen Stammplatz in den Vertrag schreiben ließ. Nach dem Ende seiner Karriere verschwand er nach Kalifornien, um irgendetwas New-Economy-Mäßiges als Berater irgendeines Flitzpiepen-Vereins darzustellen, und war bald vergessen. Dann kam er zurück, weil man sich in Deutschland nicht auf einen Übungsleiter einigen konnte und kein renommierter Trainer zu finden war, der sich so demontieren lassen wollte, wie es dem tumben Berti Vogts, dem eingebildeten Erich Ribbeck und dem wackeren Rudi Völler passiert war. Und dem biederen Jupp Derwall vorher eigentlich auch schon. Früher gab es einen „Bundestrainer“, seit Beckenbauer gibt es einen „Team-Chef“.

Klinsmann, den die Schwäche des lächerlichen DFB ins Amt gehoben hatte, brachte auch noch einen „Team-Manager“ mit, nichts anderes als eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für den Kumpel Oliver Bierhoff, einen alerten Ausredenerfinder mit Abitur, der seitdem überall entgeistert ins Mikrofon nuschelt, als hätte er eine Pelzmütze auf der Zunge. Aus Schwaben schleppte Klinsmann den gleichfalls entseelten Apparatschik Joachim „Jogi“ Löw an, der seitdem für die „Taktik“ zuständig sein soll und manchmal, wenn das Spiel nicht allzu schlecht läuft, im Fernsehen mutig eine Auswechslung ankündigt. Gleichfalls engagiert wurde ein amerikanischer Fitness-Guru, der die Spieler auf Vordermann bringen sollte. In ihren grauen Boss-Mäntelchen ziehen sie die Köfferchen durch die Flughäfen und Hotel-Foyers der Welt, das Handy stets am Ohr.

Zu Klinsmanns schlechtem Deutsch gesellte sich das Neu- und Dummsprech der New Economy, der grienende Sekten-Optimismus eines Motivations-Scharlatans, der über glühende Kohlen läuft, das Abstrafen von unbotmäßigen Sportsfreunden und das Schüren von Konkurrenz, jede Menge Zahlenmystik und pseudo-wissenschaftliches Geschwätz, Gesundbeterei und Pilates-Wundergläubigkeit, die Klinsmann offensichtlich in Kalifornien aufgeschnappt haben muß.

Wichtig war nur eine Botschaft, die jeder verstand: Wir werden Weltmeister. Das kann nun zwar gar nicht sein, weil die deutschen Spieler die Raute nicht verstehen und überhaupt den modernen Fußball nicht.

Aber andererseits kennt der Deutsche sowieso nur den Kampf. Und wir waren immer eine Turniermannschaft.

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