Die Weltstudenten

Der bisherige Weg des angehenden Erfolgsduos MGMT ist gepflastert mit ersten Achtungserfolgen und leider auch Versäumnissen. Zum Beispiel letztens in Paris: Ben Goldwasser und Andrew Van Wyngarden (letzterer schreibt die Texte, aber im Prinzip ist hier jeder für alles zuständig) waren gerade auf Promotion-Tour, um ihr Debüt „Oracular Spectucular“ zu bewerben. Folglich gaben sie Interviews und spielten mit ihrer aus Freunden zusammengewürfelten Band ein Konzert. Mithin die idealen Rahmenbedingungen, um ernstzumachen mit ihren feuchten Rockstar-Träumen.

Dereinst hatten Goldwasser und VanWyngarden nämlich in ihrer Studentenbude in Middletown, Connecticut für ihren bislang besten Song, „Time To Pretend“, Folgendes zusammenfantasiert: I’ll move to Paris, shoot some heroin and fuck with the stars.“ Danach kommt noch eine Menge ähnlicher Unfug mit irgendwelchen Models, die man im Falle unverhoffter Schwangerschaften einfach gegen, nun ja, neue Models austauschen könne. Also eine reichlich überzeichnete Klischeevorstellung, deren Realitätspotenzial nun hätte überprüft werden können. Indes: „Diese Stufe unseres Masterplans haben wir noch nicht gezündet“, wie Goldwasser einige Tage später in Berlin kleinlaut verrät. Sein Zusatz, dass die angeberischen Zeilen ohnehin nicht ganz ernst gemeint seien, wäre kaum nötig gewesen. Denn natürlich sind MGMT Meine potenzprotzenden Rockisten. Dazu sind sie zu intelligent und wohl auch zu schüchtern.

Die Mischung aus latenten Zynismen, Post-adoleszenten Nerd-Spinnereien und psychedelischem Space-Pop mit satten Refrains macht den Charme der Band aus. Auch, wenn die Witze bisweilen spätpubertär ausfallen. So führten sie unter anderem Barack Obama auf, als die Plattenfirma um eine Liste mit Wunschproduzenten bat (gemacht hat den Job schließlich Dave Fridmann). Trotzdem versteht den Humor der beiden nicht jeder. So werden MGMT in Teilen der britischen Presse als geldgeile Säcke portraitiert, die angeblich nicht schnell genug einen Major-Plattenvertrag bekommen konnten und Interviews mit Vorliebe nutzten, um sich über das ABC der Indie-Dogmen lustig zu machen. Vergangenen Oktober im Londoner „Koko“ machten die ausgiebig die eigenen Schuhe studierenden Novizen freilich weniger den Eindruck abgezockter Karrieristen, und tatsächlich: „Wir haben absolut keine Ahnung vom Geschäft und sind froh, dass wir unsere Musik überhaupt veröffentlichen dürfen—egal wo und wie.“

Vor einem guten Jahr zogen MGMT nach New York, um ihre Verwurstungsmaschine in Gang zu bringen. Aus den üblichen Gründen – Suicide und „die inspirierende Tradition der Stadt“. Vorher hatten sie mit kruder Elektronik experimentiert, Pop-Songs wurden daraus angeblich rein zufällig. Von Freunden überredet, gaben die beiden Konzerte und veröffentlichten eine EP auf einem Kleinstlabel. Dann nahmen sie eine sechsmonatige Pause, in der Goldwasser einem Freund auf dem Bau half und Van Wyngarden den Ruf Brooklyns vernahm. Kaum wieder vereint, erregte ihr Demo das Interesse von Columbia und-zack! – hatten sie einen Plattenvertrag in der Tasche.

Perfektes Timing: Sieben Jahre nach den Strokes passiert wieder etwas im Big Apple. Bands wie Vampire Weekend oder die White Rabbits hantieren munter mit an sich rockfremden Genres wie Calypso und Afrobeat. Mit den Genannten verbindet MGMT ein ähnlich grenzüberschreitendes Musikverständnis. „Unsere Musik ist eine Reaktion auf den langweiligen und engstirnigen Gitarrenrock der letzten Jahre“, erklärt Goldwasser. „Da hat uns auch das Studium geholfen: Wir studierten World Music und experimentelle Sachen und stellten fest, wie dumm es ist, sich diesen Einflüssen zu verschließen.“ Manchmal ist es eben doch von Nutzen, was Anständiges gelernt zu haben.

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