Eiserne Riesen und schlafende Schönheiten – so war das Melt! 2013

Mit der besonderen Kulisse von Ferropolis, der Stadt aus Eisen, kann das Melt!-Festival seit 1999 jedes Jahr aufwarten. 2013 machten ein exquisites Line-Up und Sommerwetter wie aus dem Bilderbuch das Festival-Erlebnis perfekt.

Das Melt!-Festival machte dieses Jahr seinem Namen alle Ehre. Am Freitag um halb sieben stand man vor der Hauptbühne bei „Daughter“ noch schwitzend in der brennenden Sonne und sah sich auch noch mit der Qual der Wahl konfrontiert. Sonnenbrand und schwierige Entscheidungen drohten das ganze Wochenende. Am ersten Abend musste man sich zwischen Alt-J, King Krule und Mount Kimbie entscheiden, wenn man einen Auftritt von Anfang bis Ende sehen wollte. Die letzteren beiden hatten bei Mount Kimbies „You Took Your Time“ noch zusammengearbeitet – der Interessenkonflikt war also vorprogrammiert.

Die Dämmerung brachte laue Luft und James Blake auf die Bühne und ließ einen die Abendplanung erst einmal vergessen. Er berührte nicht nur mit zerbrechlicher Stimme, wunderschön traurigen Melodien und Harmonien, sondern machte mit wummerndem Sub-Bass das Herz direkt körperlich spürbar. Alt-J beanspruchten anschließend mehr die Muskeln im Tanzbein. Die markante Näselstimme von Joe Newman büßte live etwas an Exaltiertheit ein, gab damit aber den Blick frei auf die hübsch arrangierten Melodien und Harmonien, die die Briten über ihre Hip Hop-inspirierten Rhythmen legen. Die Performance-Kunst der schwedischen The Knife stellte sich schließlich im Festival-Kontext als zu langatmig heraus, war dennoch eine gelungene Abwechslung zum gewöhnlichen Band- oder DJ-Setup auf den Bühnen. Zum Ausklang gab es noch eine Beachparty mit Modeselektor.

Tagsüber waren auch die Strandabschnitte auf den Campingplätzen bevölkert von Festivalbesuchern, die im Gremminer See kurze Abkühlung suchten. Andere lagen wie im hundertjährigen Dornröschenschlaf friedlich in den kleinen Waldstücken und Gebüschen. Generell ergab sich aus dem Kontrast zwischen idyllischer Halbinsel und überdimensionalem Tagebau-Gerät, zwischen der von der Hitze induzierten Entspanntheit und der energetisch pumpenden Musik eine ganz eigene Grundstimmung, so unterschiedlich die musikalischen Acts auch waren.

Disclosure oder Tricky? Rudimental oder DJ Koze? Babyshambles oder Django Django? Im Bogen um die riesigen Bagger, die wie schlafende Drachen rostbraun in der Abendsonne lagen, ging es am Samstag von Bühne zu Bühne und wieder zurück. Die allseits gefeierten Disclosure zogen schon am frühen Abend eine ganze Menge Leute zur Gemini Stage. Bei DJ Koze fehlte eine Prise mehr Bass und die Kostprobe von Rudimental ergab: viele Köche – insgesamt neun Musiker auf der Bühne – verderben zwar nicht den Brei, der Pop-R’n’B mit Dancebeats der im Kern vierköpfigen Band schmeckte aber live fast schon zu süß nach Radiozucker.

Kurz überzeugt, dass Pete Doherty dieses Mal tatsächlich zum Auftritt erschienen war, dann weiter zu Django Django – oder welcher der relativ wenigen Gitarrenbands auf dem Melt! sollte man seine Aufmerksamkeit schenken? Der skandalerprobten Blaupause eines Rockstars, Pete Doherty, mit seinen Drogeneskapaden und dem rohen Garagenrock der Babyshambles? Oder den technisch verspielten Django Django, die mit dem Bandnamen vor allem den Einfluss von Italo-Westernmusik á la Morricone thematisieren und dadurch dessen Inspiration durch die Popmusik der 60er still voraussetzen. Das an Surfrock erinnernde „WOR“ ist nach einer schnelleren Version von „Default“ der absolute Stimmungshöhepunkt ihrer Show. Und zusammen mit der Vorliebe für Gesangsharmonien sind wir – abgesehen vom Hufklappern – damit auch schon viel näher an den Beach Boys als bei Morricone, Bacalov & Co.

Gerade werden Django Django noch zum Festivalhighlight erklärt und im nächsten Moment auch schon von Azealia Banks abgelöst. Die Spannung war auch groß, da das Debütalbum immer noch auf sich warten lässt. So gab es einen vielversprechenden Vorgeschmack an brachialer Power mit technoiden Einsprengseln.

Ein anderes Energiebügel stand am Sonntag in der gleißenden Nachmittagssonne. Charlie XCX bringt den 90s-Pop inkl. passendem Lolita-Outfit zurück. Im Schulmädchen-Look auf unsäglichen Plateau-Buffalos wirbelte sie über die Bühne und brachte schließlich mit einem Backstreet Boys-Cover das Publikum in eine Zwickmühle aus nostalgischer Jugenderinnerung und musikalischem Schandfleck. Den nötigen musikalischen Anspruch hat auf jeden Fall Flying Lotus, dessen Set trotz zerfaserter Samples und abrupter Breaks erstaunlich tanzbar war.

Es ging das Gerücht um, dass Thom Yorke nur unter der Bedingung spielen wollte, wenn Flying Lotus im Slot vor den Atoms For Peace spielt. Egal ob wahr oder falsch, dem Publikum und seiner neuen Band hätte er damit einen Gefallen getan. Flea hielt mit seinem Funkbass den Groove aufrecht, die ganze Mannschaft segelte dann aber auf sanfteren Wogen und mit Feuerwerk im Hintergrund dem Ende des Melt! 2013 entgegen.

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