Future Of Music: Faye Webster – vom Kult zum Hit

Die Songwriterin erobert die Gen Z - mit TikTok, Wilco-Gitarrist Nels Cline und Rapper Lil Yachty.

Sie ist eine der besten Songwriterinnen ihrer Generation – und erobert jetzt auch die Gen Z für sich. Mit ein bisschen Hilfe von TikTok, Wilco-Gitarrist Nels Cline und Rapper Lil Yachty. Eine Begegnung mit Faye Webster auf dem Tennisplatz.

Faye Webster macht mich fertig, beim Tennis. Wir sind an einem späten Nachmittag im Altadena Town & Country Club in Los Angeles verabredet und spielen bei strömendem Regen eine sehr lockere Partie. Eine von uns ist wirklich gut, die andere (ich) hat noch nie in ihrem Leben einen Schläger in die Hand genommen. Aber obwohl ich erbärmlich unterlegen bin, ist Faye Webster sehr nett und jubelt mir von ihrer Seite des Platzes zu, wenn ich mal den schweren, klatschnassen Ball treffe (was fast nie der Fall ist).

Unser rothaariger, bärtiger Trainer Nate unterstützt uns ebenfalls und weist uns mit Begriffen wie „Strike Zone“ und „Ready Position“ ein. Sie sind mir natürlich fremd, aber nicht meiner Partnerin, die in einem übergroßen weißen T-Shirt und schwarzen Shorts eifrig nickt. Ihr kastanienbraunes Haar ist nach hinten gebunden und mit einem Pony auf der Stirn verstreut. Später, als wir die Bälle mit dem Auffangtrichter holen, erinnert sie das Gerät an etwas. „Meine Mutter“, beginnt sie und muss lachen, „nein, der Weihnachtsmann hat mir so etwas geschenkt.“

Niemand erkennt Webster an jenem Tag, den wir gemeinsam in Los Angeles verbringen, kurz bevor die aus Atlanta stammende Künstlerin zu einer Tournee nach Australien aufbricht. Diese Art von Anonymität wird wahrscheinlich nicht mehr lange anhalten. „Lego Ring“, der unscharfe, rockige, grenzwertig psychedelische Track, den sie zusammen mit ihrem langjährigen Freund, dem Rapper Lil Yachty, aufgenommen und im Januar veröffentlicht hat, wurde bereits mehr als 5 Millionen Mal angeklickt. Sie hat eine riesige neue Fangemeinde auf TikTok – fast schon ironisch, wenn man bedenkt, dass sie selbst die App gar nicht nutzt – wo Clips ihrer Shows Millionen von Views und Kommentare wie „Our mother is mothering“ bekommen. Mit ihrem aktuellen Album „Underdressed At The Symphony“ und einer großen Headliner-Tournee ist sie auf dem Weg von der Kultfangemeinde zum größeren Rampenlicht.

„Sie ist einer der wenigen Menschen, die ihr eigenes Genre erschaffen haben (Jeff Tweedy)“

Hörer und Kritiker tun sich gleichermaßen schwer, Websters unbekümmerte Mischung aus Indie-Pop, R&B-Stoner-Jams und wehmütigem Folk zu kategorisieren. „Sie ist einer der wenigen Menschen, die ihr eigenes Genre erschaffen haben“, sagt Jeff Tweedy, der Webster vor drei Jahren eingeladen hatte, Support für Wilco zu spielen. „Sie nähert sich der Country-Musik aus einem verrückten Blickwinkel, oder sie nähert sich der Soul-Musik aus einem verrückten Blickwinkel. Sie verwendet Instrumente und Elemente, die traditionell nichts miteinander zu tun haben – aber bei ihr passt alles zusammen. Es scheint ihr egal, dass es Grenzen gibt, die sie überschreitet. Sie weiß nicht, woher sie ihre Einflüsse nimmt –es ist einfach das, was ihr gefällt.“

Im Moment konzentriert sich Webster jedoch auf ihren Aufschlag. Kaum jemand weiß, dass Webster als Kind Tennis gespielt hat; wenn Sport zur Sprache kommt, geht es meist um ihre Leidenschaft für Baseball und die Atlanta Braves oder um ihre selbst gebastelten Jo-Jos (sie ist auch wirklich gut im Jo-Jo-Spielen, zu sehen im Video zu „Better Distractions“). Aber tatsächlich war sie mit 18 Jahren Tennismeisterin. „Wow“, sagt sie, darauf angesprochen. „Verrückt, dass Du das weißt. Das ist so etwas wie ein Nerd-Fact.“

Webster steht auf dem Platz und hält ein Geschenk von Nate in der Hand: einen von Naomi Osaka maßgefertigten Schläger, der zu Websters Nikes passt, die ebenfalls von dem japanischen Tennisstar entworfen wurden (auf den Schuhen sind die Osakas Lieblingssnacks abgebildet). Vor kurzem hat Webster Ben Rothenbergs vor kurzem veröffentlichte Osaka-Biografie gekauft, in der sie ihr Leben im Rampenlicht und ich re Probleme mit der psychischen Gesundheit beschreibt. Für Webster ist  Osaka mehr als nur eine Sportlerin, die sie bewundert. Sie ist jemand, mit dem sie sich identifizieren kann, vor allem, wenn sie mit dem Druck des Ruhms konfrontiert ist (die Obamas haben übrigens beide Frauen gelobt, wobei Michelle Osaka als „sensationell“ bezeichnete und Barack Websters „Better Distractions“ zu seinen Lieblingssongs 2020 zählte).

„Sie kämpft auch mit der Aufmerksamkeit, und es ist inspirierend zu sehen, wie sie damit umgeht“, sagt Webster. „Ich weine manchmal auf der Bühne, wenn es wirklich überwältigend ist, oder manchmal bin ich tatsächlich traurig und habe schlechte Tage und sage das dem Publikum einfach im Voraus. Zu sehen, wie verletzlich Osaka ist, hat mir geholfen, selbst verletzlich zu sein.“

Aber: Webster ist witzig. Auch wenn manche sie fälschlicherweise in das Genre „trauriges Mädchen“ einordnen, so weht doch immer ein Hauch von Humor durch alles. Selbst wenn sie über das Weinen singt (was oft der Fall ist), kann sie gar nicht anders als eine skurrile Wendung hinzuzufügen. Auf dem hervorragenden 2019er-Album „Atlanta Millionaires Club“ gibt Webster zu, dass sie so viel geweint habe, dass ihre Tränen „Zimmertemperatur angenommen haben“. Das Video zum Song zeigt das Gegenteil – Webster widmet sich fröhlichen Aktivitäten wie Hula-Tanz und Synchronschwimmen. Bei „Symphony“ ist das nicht anders, wobei die fröhlichsten Momente in „eBay Purchase History“ zu finden sind, einem Song über – Sie haben es erraten – Websters eBay-Kaufhistorie.

„Ich hasse Bob Dylan. Ich kann ihn nicht ausstehen. (Faye Webster)“

Eine Sache, die Webster nicht besonders mag, ist klassischer Rock. Nach den Beatles gefragt, sagt sie: „Die sind mir egal“. Zu einem bestimmten Typen aus Minnesota hat sie jedoch eine starke Meinung. „Ich hasse Bob Dylan“, sagt sie. „Ich habe mich nie für ihn interessiert, ich kann ihn nicht ausstehen.“ Nun ja, ihre Managementfirma, Look Out Kid, ist nach einem Dylan-Text benannt. „Sie fanden heraus, dass ich ihn nicht mag, nachdem sie mich unter Vertrag genommen hatten!“

Doch Webster ist ein eingefleischter Wilco-Fan und bezeichnet den Klassiker „Impossible Germany“ als ihren Lieblingssong aller Zeiten. Sie hat den Wilco-Gitarristen Nels Cline, der das kosmisch fantastische Solo des Songs spielt, für ein paar „Symphony“-Tracks rekrutiert. „Bei dem ersten Date, bei dem Faye für uns eröffnete, standen Jeff und ich neben der Bühne und ich war von ihrer Ästhetik völlig überwältigt“, sagt Cline. „Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war so verzaubert von ihr. Man könnte glatt in einem Lowrider zu ihrer Musik cruisen. Sie ist sanft, ohne auf diese nervtötende Art sanft zu sein. Und Jeff flüsterte mir ins Ohr: ‚Viele ihrer Texte sind wirklich amüsant‘, also fing ich an, genauer hinzuhören. Und er hatte Recht.“

Faye Webster liebt Gitarren und Cartoons

Eine weitere Sache, deren eingefleischter Fan Webster ist: die Pedal Steel Guitar. Das Instrument ist zu ihrem Markenzeichen geworden, sein schmelzender Twang unterstützt ihren ultra-zarten Gesang. Dafür kann man Matt „Pistol“ Stoessel, ihrem langjährigen Gitarristen, danken. Webster beschreibt ihre Beziehung als „symbiotisch“, und als ich Stoessel anrufe, ist sofort klar, dass er ihr extrem cooler musikalischer Gegenpart ist. Es ist keine Überraschung, dass Stoessel ein Deadhead ist, der Jerry Garcia als seine größte Inspiration bezeichnet. Webster neigt dazu, die Musik über den Gesang zu stellen, mit ihrer Band zu grooven und Tracks minutenlang in die Länge zu ziehen. „Es ist die Qualität einer Jam-Band, ohne das Gegniedel“, sagt Stoessel. Ein typisches Beispiel: „Underdressed At The Symphony“ beginnt mit „Thinking About You“, einer fast siebenminütigen Reise durch Websters Gedankenwelt (natürlich hieß der Song ursprünglich „Wilco Type Beat“) – inzwischen ein großer Indie-Hit.

Nach unserem Tennismatch gehen Webster und ich im „Lunasia“, einem Dim-Sum-Restaurant in Pasadena, essen. Sie sitzt mir gegenüber, nippt an einem Chrysanthementee und scrollt auf ihrem Handy durch die Speisekarte. Da sie allergisch gegen Ananas ist, überprüft sie ihre Auswahl – gebratene Gurke und gegrillte Hühnchenknödel – noch einmal, bevor sie bestellt.

Websters Handy sagt eine Menge über sie aus. Eine Baseballsammelkarte von Ronald Acuña Jr., einem Star-Outfielder der Braves, steckt hinten in der durchsichtigen Hülle (sie hat ihre Schwärmerei in „A Dream With a Baseball Player“ von 2021 festgehalten). Den Hintergrund ihres Bildschirms bildet eine sepiafarbene Illustration von Skeletten aus dem Fantasy-Spiel „Warhammer“. Und drei klassische Miniatur-Pokémon baumeln an ihrem Smartphone: Pikachu, Ditto und Poliwag (früher hatte sie Pokémon-Karten auf ihrem Tour-Rider kleben).

Auf meine Bitte hin öffnet Webster eine App, um mir ihren aktuellen eBay-Kaufverlauf zu zeigen. Es ist eine chaotische Sammlung von Spielzeugen (ihre Worte), darunter alte Figuren von Nerdlucks (Michael Jordans Feinde in Space Jam, auch bekannt als die Monstars), ein riesiger Despicable Me Minion und Scannerz, ein bizarres Gerät, mit dem man Strichcodes scannen kann. Die meisten Zwanzigjährigen verbringen ihre Tage in den sozialen Medien, aber Webster zieht es vor, auf die kulturellen Artefakte ihrer Kindheit zu bieten. Plötzlich zeigt sie auf ein aktuelles Angebot und schmilzt dahin, als würde sie mir einen neugeborenen Welpen zeigen. „Oh, mein Gott!“, flüstert sie. „Ich habe diesen süßen Briefhalter von Wallace & Gromit bekommen!“

Webster mag auf Cartoon-Ephemera fixiert sein, aber „Underdressed At The Symphony“ ist eine auffallend ehrliche Platte, die eine schmerzhafte Trennung beschreibt. Webster schrieb die Songs nach ihrer Zeit mit dem Rapper Boothlord, mit dem sie vier Jahre lang zusammen war. „Es ist nicht einfach passiert“, sagt sie. „Es war ein so langer Prozess, dass es lange gedauert hat, damit fertig zu werden, stark genug zu werden, um zu sagen: ‚Das ist nicht gut für mich‘.“

Das intime “But Not Kiss” (I want to see you in my dreams but then forget/ We’re meant to be but not yet) bezeichnet sie als “anti-romantisches” Liebeslied. „Ich erinnere mich, wie ich es schrieb und dachte: ‚Ich wünschte, dieses Lied wäre für mich geschrieben worden. Ich wünschte, ich hätte es nicht schreiben müssen‘“, erklärt sie. Im Titeltrack geht sie ihren Kummer über die Trennung frontal an (I know you haven’t told your mother yet/ ‚Cause she invited me over again) und grübelt über den Herzschmerz zu einer langsam brennenden Instrumentierung, die einen Ausschnitt aus einer echten Symphonie enthält. Als wäre das nicht schon tautologisch genug, buchstabiert sie es in einer späteren Strophe aus: „I’m underdressed at the symphony/ Crying to songs/ That you put me on.“

Webster besuchte tatsächlich das Atlanta Symphony Orchestra, um sich von der Trennung zu erholen. Sie hatte sich in letzter Minute für das Konzerts entschieden und geriet regelrecht in einen euphorischen Rausch, als sie die 15 Minuten von ihrem Haus dorthin fuhr und in letzter Minute dort ankam. Natürlich hatte sie keine Zeit, sich angemessen anzuziehen.

Allein und doch umgeben von der Menge, fühlte sie sich wohl. Jeder weitere Konzertbesuch war eine neue Erfahrung: der Abend, an dem sie einem 21-Jährigen beim Beethoven-Spielen zusah; die Weihnachtsaufführung, bei der sie eine Fleece-Weste trug, während alle anderen angemessener gekleidet waren. „Ich fand es therapeutisch“, sagt Faye Webster. „Niemand kennt mich, ich kenne niemanden. Die Hälfte der Zeit weiß ich nicht mal, was ich da höre. Als ich diese wirklich schwere Zeit durchmachte, fragte ich gern: ‚Oh, gibt es heute Abend ein Konzert?‘“

Webster nahm „Symphony“ in den Sonic Ranch Studios in Tornillo, Texas, nahe der Grenze zu Mexiko auf. Es war das erste Mal, dass sie außerhalb ihres Heimatstaates produzierte, ein bemerkenswerter Bruch mit ihrer üblichen „Wenn’s nicht kaputt ist, reparier’s nicht“-Mentalität. „Mein Techniker [Drew Vandenberg] meinte: ‚Willst du etwas Neues ausprobieren?‘ Und ich sagte: ‚Eigentlich nicht'“, erzählt sie lachend.

Die Band nahm das Album in neun Tagen live im Studio auf, wobei sie oft nur drei Takes von einem Song machten und den besten auswählten. „Jeder Song hat ein sich wiederholendes Riff, es gibt eigentlich keine Soli“, erklärt ihr Mitstreiter Matt Stoessel. „Wenn wir das Bett des Songs gefunden haben, das, was wir ‚the ride‘ nennen, dann ist er fertig.“

Wilco-Gitarrist Nels Cline nahm seine Parts aus der Ferne von seinem Haus im Bundesstaat New York aus auf, während Webster ihre Vocals mit GarageBand in ihrer Küche in Atlanta einspielte. So macht sie es am liebsten, was bei einer selbsternannten Stubenhockerin nicht verwunderlich ist. Wenn man sie fragt, wie ihr perfekter Tag aussieht, antwortet sie: „Zu Hause sein.“ Webster spielt gerne an ihren Nintendo-Geräten und ihrem neuen iPad mini (sie scherzt, dass sie es sogar mit dem Apple Pencil benutzt). Alles in allem ist es irgendwie überraschend, dass sie keine Kifferin ist.

„Ich bin komplett nüchtern“, sagt sie, obwohl sie gelegentlich schon mal ein Glas Wein trinkt. „Yachty hat ein Video von mir und Tyler [the Creator] gepostet, und es gibt Millionen von Kommentaren, in denen es heißt: ‚Sie ist total bekifft‘. Ich antwortete: ‚Ich habe doch bloß gelächelt. Ich bin keine Raucherin!‘“

Mit Lil Yachty ist Webster seit der Schulzeit befreundet

Die musikalischen Wurzeln liegen in Websters Familie. Ihr Großvater war ein Bluegrass-Gitarrist; ihr ältester Bruder Jack inspirierte sie dazu, zur Gitarre zu greifen, während ihr anderer Bruder Luke an all ihren grafischen Entwürfen mitarbeitet. Und Yachty lernte sie an der Inman Middle School in Atlanta kennen. „Es war in der achten Klasse, in der Cafeteria, bei einem Tag der offenen Tür, bevor das Semester begann“, erzählt der Rapper dem ROLLING STONE. „Seitdem sind wir befreundet.“ Später, als Webster begann, Rapper in Atlanta zu fotografieren, war Yachty eines ihrer ersten Motive.

Faye Webster veröffentlichte ihr erstes Album „Run and Tell“ selbst, als sie 16 war. Sie hat nie in Frage gestellt, dass sie Musik zu ihrem Beruf machen will; es kam ihr nicht in den Sinn, etwas anderes zu tun. „Als alle ihren Highschool-Abschluss machten und ihr erwachsenes Leben begannen, dachte ich: ‚Oh, ich habe nichts außer Musik gemacht, wie soll ich das schaffen?‘“, erinnert sie sich.

Sie zog nach Nashville, um an der Belmont University Songwriting zu studieren, hatte aber so viel Heimweh, dass sie an den meisten Wochenenden zurück nach Atlanta fuhr. Zu Hause traf sie sich mit ihren Freunden des HipHop-Kollektivs Awful, das sich um ein gleichnamiges Label gruppierte. Allmählich hatte Webster das Gefühl, dass die Ausbildung reine Zeitverschwendung ist. Und nachdem sie wieder nach Hause gezogen war, unterschrieb sie 2017 bei Awful und brachte ihr selbstbetiteltes zweites Album heraus. „Ich war noch nie Teil eines so engen Kollektivs“, erzählt sie. „Es war nicht nur Musik – es war ein Gefühl von Familie. Es war fast so, als wäre das wichtiger als die Musik.“

Als Webster und ich uns 2019 unterhielten, sagte sie, dass sie sich als weiße Frau bei einem HipHop-Label wie eine Ausreißerin fühle. Als ich sie jetzt darauf anspreche, zuckt sie mit den Schultern: „Ich habe definitiv das Gefühl, dass es ein Thema war.“ Yachty sieht das anders: „Ich fand es nicht seltsam, denn wir sind hier in Atlanta. Die Hipster-Szene mischt sich ziemlich stark, weil Atlanta so klein ist. Das spielt in der Musik jedes Künstlers, der aus der Stadt kommt, eine Rolle.“

Webster wird in Atlanta oft erkannt, aber das stört sie nicht. Alles andere, was mit dem Ruhm zu tun hat, findet sie überwältigend – zum Beispiel wie sie in Interviews rüberkommt oder wie viele sie davon jetzt gibt. „Ich vermeide es, darüber nachzudenken“, sagt sie. „Ich bin nicht dafür gemacht. Eigentlich macht es mich wahnsinnig.”

Ohne es zu merken, zitiert Webster den neuen “Symphony”-Song, “Wanna Quit All the Time”, in dem sie singt: “I wanna quit all the time/I think about it all the time/ It’s the attention that freaks me out”. Über alle fünf Alben hinweg, in einem Katalog autobiografischer Songs, ist dies der ehrlichste und vielleicht verletzlichste Moment in ihrer Karriere.

Websters Ruhm wuchs 2021 mit dem Album „I Know I’m Funny ,Haha“, als einige ihrer älteren Songs wie „I Know You“ und „Kingston“ plötzlich auf TikTok viral gingen. Es gibt Clips von ihren Texten mit ihrem Hochgepitchten Gesang, die Millionen von Aufrufen erhalten haben; in einem TikTok-Video schluchzt ein Fan unkontrolliert während ihres Sets. Als Nels Cline im vergangenen Herbst in Chicago für „In a Good Way“ zu ihr auf die Bühne kam, wurde ihm klar, wie sehr ihr Publikum gewachsen ist. „Als sie für Wilco eröffnete, spielte sie nur eine halbe Stunde“, erzählt er. „Und viele Leute mochten sie wahrscheinlich. Aber zwei Jahre später ist eine ganz andere Sache daraus geworden. Ich habe an jenem Abend zwar keine demografische Umfrage gemacht, aber überall diese schreienden jungen Frauen gesehen und gehört.“

„Ich hielt es immer für sehr wichtig, dass die Leute mich als normale Type sehen“, sagt Webster. „Ich denke, ein Großteil der Angst und der Spannung, die ich empfinde, kommt daher, dass ich auch ein ganz normaler Typ bin, und wenn Leute mich anhimmeln, fühle ich mich unwohl, denn ich vergöttere niemanden, nicht einmal mich selbst. Aber ich bin froh, wenn Leute sich mit mir identifizieren können. Meist beziehen sie sich auf meine Texte, und ich möchte ihnen sagen: ‚Ich bin sicher, du hast ein paar Gedanken, die ich auch gerne hören würde. Ich bin mir sicher, dass du etwas denkst, das genauso genial ist.'“

„Faye und ich haben schon so oft darüber gesprochen“, sagt Yachty. „Ich finde, sie hat es ziemlich gut geschafft, sich ihre Freiheit zu bewahren. Aber es ist die unabänderliche Realität einer solchen Karriere: Je größer man wird, desto erfolgreicher ist man und desto weiter ist man von einem normalen, privaten Leben entfernt.“

Für „Underdressed at The Symphony“ hat Webster einige Maßnahmen ergriffen, die ihr helfen, nicht aufgefressen zu werden: Sie schränkt die Presse ein, lässt bei Zoom-Interviews die Kamera aus und wahrt einen sicheren Abstand zu den sozialen Medien. Sie wird auch immer besser darin, nein zu sagen. „Meine Kollegen meinen, dass meine Karriere darauf beruht, dass ich einfach nur coole Sachen machen will“, sagt sie. „Das kann für sie frustrierend sein. Ich lehne etwas ab, dass er oder sie gerne gemacht hätte, aber dann sage ich: ‚Oh, ich fotografiere mich einfach selbst, wie ich den ganzen Tag lang mit einem Jo-Jo spiele.‘“

„Sie ist nicht mehr im Hamsterrad, und das kann ich nachempfinden“, sagt Jeff Tweedy. „Es gibt Dinge, die es einfach nicht wert sind. Viele Manager, Plattenfirmen und ähnliche Leute wollen Geld verdienen, aber rücken es ungern raus. Wilcos Entscheidungsfindung basierte von Anfang an auf der Frage: ‚Was erlaubt es mir, so lange wie möglich zu tun, was ich tun möchte?‘ Diese Entscheidungen laufen in der Regel darauf hinaus, sicherzustellen, dass man jeden Penny bekommt, der einem in diesem Moment zur Verfügung steht. Das kann für Geschäftsleute frustrierend sein, aber ich denke, sie wird zu denselben Schlussfolgerungen kommen.“

Bis dahin wird Faye Webster weiter Tennis spielen und auf ihrer Tour genügend Plätze finden. Ein paar Wochen nach unserem Interview führen wir ein letztes Mal ein Gespräch über Zoom (natürlich ohne Kamera). Sie ruft aus Melbourne an, wo sie Anfang Februar auf Tournee ist, und hat sich bereits das Damenfinale der Australian Open angeschaut.

„Tourneen können sehr anstrengend sein“, sagt sie. „Aber ich mache viele Dinge, die mir Spaß machen, Tennis zum Beispiel… ich weiß nicht.“ Sie hält inne, dann bricht sie in ein herzhaftes Lachen aus. „Ich bin immer noch damit am Manövrieren, falls man das nicht merkt.“

(Angie Martoccio)

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