Future Of Music: Gglum klingt nicht so finster wie ihr Name

Die Londoner Musikerin Elle Smoker alias Gglum vereint auf ihrem Debütalbum ihre Faszination für The Microphones und den finnischen Maler Hugo Simberg

Mürrisch, trübsinnig, düster: all das kann das englische Wort „glum“ bedeuten. Elle Smoker fand es als Teenager äußerst passend, ihren Künstlerinnennamen an dieses Adjektiv anzulehnen. Jetzt, mit Anfang zwanzig, fühlt sich die aus London stammende britisch-finnische Musikerin dieser Laune weitestgehend entwachsen – doch ihre Musik bleibt melancholisch, selbst wenn sie heiter klingt.

Zu Smokers Eigenschaften als Teenager gehörten weder ein sonniges Gemüt noch großes Selbstbewusstsein. Obwohl sie bereits mit sieben Jahren anfing, Instrumente zu spielen, konnte sie sich nicht vorstellen, dass sich andere für das interessieren würden, was sie Kreatives erschuf. Doch als ihr ein Freund die amerikanische Indie-Band The Microphones vorspielte, legte sich ein Schalter in ihrem Kopf um: „Es war sehr befreiend für mich, zu merken, dass manche Künstler einfach komplett das machen, was sie wollen, sich dabei von nichts einschränken lassen und sich nicht darum sorgen, wie das nach außen wirkt.“ Als sie dann den ersten Song schrieb, den sie selbst mochte, beschloss sie, ihn auf Spotify zu veröffentlichen. Plötzlich ging alles ganz schnell: Spotify packte das Stück „Why Don’t I Care“ auf eine Playlist, Millionen Menschen hörten ihn, Manager und Labels riefen bei Smoker an und wollten Gglum unter Vertrag nehmen. „Es war mein erster eigener Song, der mir selbst gefiel. Und dann war Songwriting plötzlich mein Job. Deswegen habe ich auch das Gefühl, dass ich mit meinen EPs erst rausfinden musste, was Gglum ist, dass dabei aber ununterbrochen Leute zugeschaut haben.“

Auch daran, dass Leute ihr bei Konzerten zuschauen, musste sie sich erst gewöhnen. Inzwischen genießt Smoker es, Auftritte zu spielen – wirklich berühmt möchte sie aber nie werden. „Ich habe darin nie wirklich einen Reiz gesehen. Vielleicht mit vier, als ich Britney Spears total cool fand. Aber ich denke, das wäre einfach zu heftig für mich. Ich bin so schon paranoid genug. Es braucht nicht viel, damit ich mich beobachtet fühle. Wenn sich dann wirklich alle für mich interessieren würden, würde ich den Verstand verlieren.“

Mit „The Garden Dream“ ist Gglum nun bei ihrem Debütalbum angekommen. „Mit der Platte konnte ich endlich eine Welt erschaffen, wie ich es immer wollte. Aber das habe ich nur geschafft, weil ich gelernt habe, hartnäckig zu bleiben. Früher habe ich mir immer reinreden lassen und Stücke veröffentlicht, für die ich mich heute schäme.“ Die Songs geschrieben und die Platte aufgenommen hat sie diesmal mit dem Produzenten Sam Knowles alias Karma Kid.

Gglum

Neben musikalischen Einflüssen wie The Microphones oder Alex G spiegelt sich in Smokers Debütalbum auch ihre Faszination für den finnischen Maler Hugo Simberg wider. Simberg malte Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem Bilder, die sich mit Tod und Leid beschäftigen. Eines seiner bekanntesten Werke trägt den Titel „Im Garten des Todes“, darauf pflegen drei schwarz gekleidete Skelette mit Hingabe Pflanzen in Hochbeeten. Das Cover von Gglums Album „The Garden Dream“ ziert ein anderes, leicht abgewandeltes Gemälde von Simberg mit einem Mädchen, das auf einem Löwen durch einen verwunschenen Wald reitet.

Gglums Hang zum Makabren drückt sich auch in ihrer Idee für das Narrativ der Platte aus: Eine junge Frau schläft und realisiert durch ihre Träume, dass sie gerade von ihrem Liebhaber lebendig begraben wird, ist davon aber nicht beunruhigt.

Aus diesem verwunschenen Garten schallt es mal schrammelig-verträumt, mal indie-poppig, mal gibt es sphärische Synthesizer, mal wird ganz ruhig eine Gitarre gezupft; ein Song klingt nach ganz altem Country. Der Sound, gepaart mit den Erzählungen vom Sich-unverstanden-Fühlen, von Wut und Sehnsucht und ambivalenten Beziehungen, ergibt ein Gefühl wie nach dem Aufwachen, wenn der Traum, in dem gerade alles noch so schön logisch war, plötzlich keinen Sinn mehr ergibt.

„Die meiste Musik, die ich schreibe, beruht auf Träumen von mir, aber es geht eigentlich immer um Erlebnisse, die ich zunächst nicht richtig verarbeitet habe, wes­wegen es etwas sehr Kathartisches ist, sich mit Songs daran abzuarbeiten. Junge Liebe habe ich nur sehr turbulent erlebt – es war eigentlich eine ziemliche Shitshow. Und darum geht es sehr viel auf dem Album. Aber ich schreibe eigentlich nicht über Menschen, sondern über Orte. Und so ist jeder Song ein eigener Raum, die Platte ist ein Ort, an den man gehen kann, indem man sie hört.“ Am Ende von „The Garden ­Dream“ gibt es kein Happy End – nur eine Tür, durch die die Zuhörenden das wirre, leidend-schöne Geschehen verlassen können.

Finnegan Travers
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