Geoff Barrow von Portishead im Interview: Neues Album geplant

Die Trip-Hop-Band Portishead feiert auch 2014 das zwanzigjährige Jubiläum ihres Debüts. Groß gefeiert werden, wie bei Nirvana, U2 oder Pearl Jam, soll das aber nicht. Stattdessen denken sie bereits über ein neues Album nach - ab Januar geht's für Barrow ins Studio.

Kollege Steve Baltin vom amerikanischen ROLLING STONE prach mit Geoff Barrow von Portishead. Der will mit seinen Bandkollegen Beth Gibbons und Adrian Utley ab Januar wieder an einem neuen Album arbeiten.

„Ich bin ein Musiker, ich will mich vorwärts bewegen. Ich will nicht die ganze Zeit über diese eine B-Seite nachdenken, die wir nie veröffentlicht haben. Wir sind noch nicht tot und können immer noch Musik produzieren“, so Barrow. Aber Barrows Widerstreben über das sehr einflussreiche Album übersteigt seinen Unwillen, zurückzublicken: Er hat nun für fast zwei Jahrzehnte nicht darüber sprechen wollen, weil er von dem Erfolg der Platte nichts hielt.

„Wenn Menschen sagen, dass sie es für die Platte des Jahrzehnts oder des damaligen Zeitgeist halten, dann glaube ich nie, dass sie das aus den richtigen Gründen tun“, erklärt Barrow. Also sieht er nach vorne: Im Herbst gibt es eine Tour in den USA und sie spielen mit dem Gedanken, ein neues Album zu machen – was, wie er scherzhaft anmerkt, allerdings auch erst in 10 Jahren veröffentlicht werden könnte.

Was hat euch dazu gebracht, jetzt in den USA auf Tour zu gehen?

Wir haben „Third“ (das letzte Album der Band von 2008) nie live in den Staaten gespielt. Wir haben nur auf dem Coachella Festival gespielt. Als wir dann gefragt worden sind, ob wir auf dem ATP (All Tomorrow’s Parties) spielen möchten, schien uns das als Gelegenheit, zurück zu gehen und das Album den Leuten vorzuspielen, die es noch nicht live gehört hatten. Und dann wurden wir auch von den ganzen Festivals in Europa angerufen. Wir haben seit 1998 in Europa keine Festivals gespielt, also dachten wir uns: „Okay, lasst uns doch ein bisschen Spaß haben.“ Und es hat auch wirklich unglaublich Spaß gemacht, was mal eine Abwechslung für uns war.

Aber ihr seid doch immer noch in der Lage, live zu spielen und es zu genießen.

Natürlich. Aber unsere Band ist fast 20 Jahre alt und wir fallen wirklich ein bisschen aus der Norm. Wir haben nun dieses Privileg – und ich dachte nie, dass wir das haben würden – dass die Leute uns tatsächlich sehen wollen. Wir wollen es mit dem Touren nicht übertreiben, damit die Leute nicht genug von uns bekommen.

Würdet ihr anlässlich des Jubiläums „Dummy“ in einer anderen Form neu auflegen?

Nein. Unglücklicherweise sind Specialeditionen mittlerweile ein Unwort, da sie im Prinzip nur ein Werkzeug der Industire sind, um noch mehr Geld aus den Fans und dem Kunden zu quetschen. Wir haben darum gekämpft und uns die Haare gerauft um „Dummy“ machen zu können. Ich kann mir nicht vorstellen, was wir davon haben, Material zu veröffentlichen, von dem wir nicht dachten, dass es gut genug für „Dummy“ war. Wir hatten nie viel Bonusmaterial – es gibt keine Songs, bei denen ich die Akustikgitarre spiele und Beth dazu singt. Wir würden das auch nur machen, wenn wir von einem Label vertraglich dazu verpflichtet wären.

Habt ihr schon mit dem neuen Album angefangen?

Nein, haben wir nicht. Ich werde im Januar damit anfangen, ich habe allerdings keine Ahnung, wann Beth und Adrian beginnen wollen. Aber ich will im Januar meine Gedanken sortiert haben, damit ich dann anfangen kann, Songs zu schreiben. Das könnte also bedeuten, dass es noch zehn Jahre dauert. (lacht) Wir werden nur etwas herausbringen, mit dem wir zufrieden sind. Andererseits ist es nicht wert, veröffentlicht zu werden.

Seht ihr euren Zeitplan als realistisch an?

Natürlich, wir werden es veröffentlichen, sobald wir das Gefühl haben, dass wir etwas zu sagen haben. Ich glaube, dass jeder von uns lieber einen Lieferantenjob annehmen würde, als etwas zu veröffentlichen, zu dem wir nicht hundertprozentig stehen können.

Also könnte es auch bald sein.

Wenn ich das Album in ein paar Wochen produzieren könnte, würde ich es liebend gerne tun. Außerdem würde ich dann meine Ehefrau weitaus weniger belasten, trotzdem ist es nicht wahrscheinlich. Ich kann nur für mich sprachen und normalerweise funktioniert mein Songwriting nur, wenn ich wirklich, wirklich von der Musik um mich herum durchdrungen bin. Wenn ich Musik höre, die mich absolut schockt und ängstigt und ich mich hinterher untersuchen lassen will, dann bin ich normalerweise ziemlich progressiv und komme auch auf gute Ideen. Wenn das nicht der Fall ist, dann dauert es eine ganze Weile.

Was war das Letzte, das diese Wirkung auf dich hatte?

„Temporary Secretary“ von Paul McCartney auf „McCartney II“. Es kann allerdings auch nur ein Klang sein, oder zwei Töne, die gegeneinander arbeiten.

Wie hat die Musik auf „Third“ dich nun, da es schon drei Jahre alt ist, verändert?

Auf unserer ersten Europa-Tour, nachdem wir „Third“ veröffentlicht haben, hatte ich definitiv ein unsicheres Gefühl darüber, das alte Material im selben Set zu spielen wie das neue. Aber jetzt fühlt es sich so an, als sei es derselbe Weg, und es ist kein Problem, „Mysertons“ vor „Machine Gun“, „Sour Times“ oder „The Rip“ zu spielen. Ich glaube, dass es interessant sein wird, für das amerikanische Publikum zu spielen, weil eine Menge uns schon seit langem nicht mehr spielen haben hören. Als wir damals unser zweites Album live gespielt haben, waren wir eine komplett andere Band.

Gab es einen Moment in dem dir bewusst wurde, wie einflussreich „Dummy“ geworden war?

Ich bin absichtlich jeglicher Konversation über „Dummy“ ausgewichen, da alle in den Staaten und Kontinentaleuropa die Assoziationen zu einem Art trendiger England-Musikindustrie-Dinnerparty-Bullshit hegten. „Dummy“ hat sich in etwas verwandelt, das wir nicht geplant hatten. Hauptsächlich hörten es versnobbte Leute, die gerne auf Dinnerpartys gingen, für die das Album jedoch den Hintergrund hatte, wenn man von einem Trip runterkam. Ich wollte das jedoch vermeiden – die Worte „Dummy“, „anspruchsvoll“, „europäisch“, „Soundtrack“, „sind wir nicht klug“ und den „Jazz“-Aspekt – weil dies das komplette Gegenteil zu dem war, wo wir herkamen, was unsere Einflüsse waren. Aber es hat sich einfach dazu entwickelt. Wenn Menschen sagen, dass sie es für die Platte des Jahrzehnts oder des damaligen Zeitgeist halten, dann glaube ich nie, dass sie das aus den richtigen Gründen tun. Und wenn diese Menschen dann auch noch Koks schnupfende Idioten waren, bedeutet das mir nichts mehr.

Jeder Künstler muss damit umgehen, wenn er ein erfolgreiches Album veröffentlicht. Sobald die Musik da draußen ist, kann man nicht mehr steuern, zu was es sich entwickelt.

Oh nein, man kann es natürlich nicht kontrollieren. Und ich habe das auch nie erwartet, aber ich denke, dass hinter der Coolness-, Trip-Hop- und Bullshit-Fassade eine Menge steckt, von dem einige auch eine Menge Leute sehr berührt waren. Und Menschen, die mitten im Nirgendwo leben und im Radio von der Platte gehört haben während sie auf der anderen Seite des Planeten arbeiten und du dir denkst: „Wow, erst jetzt merkt man, dass man wirklich etwas geschaffen hat, auf das man stolz sein kann.“ Aber ich kann mir vorstellen, dass viele Bands dieses Problem haben.

Weißt du schon ungefähr, wie euer Sound klingen wird?

Nein, keine Ahnung. Aber ich will Beth wirklich eine Chance geben, die Songs zu schreiben, die sie schreiben möchte. Ich glaube unser Sound ist mittlerweile recht stark und wir haben da eine Tür geöffnet, nie uns nicht sehr einschränkt. Ich will jetzt einfach wirklich gute Songs schreiben, dass Beth weitersingt und Songs schreibt. Das ist mein ultimatives Ziel. Unabhängig vom Sound kann man wirklich nicht falsch liegen, wenn man etwas schreiben kann, dass jemanden dazu antreibt, wirklich wundervolle Songs zu schreiben.

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