„Harvest“ von Neil Young: Zwischen den Extremen

Neil Young erklärte „Harvest“ zu seiner „vielleicht besten Platte“. Sie entstand unter Schmerzen.

Kein anderes von Neil Youngs Alben erreichte eine solche Breitenwirkung, und das lag nicht nur an der US-Nummer-eins „Heart Of Gold“.

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Selten tarierte der Schrat die Extreme so wunderbar aus wie hier: Einfaches trifft auf Vielschichtiges, Tragödien auf Humor, Rumpelrock auf Romantik, Realismus auf Hippie-Träume.

Weisheiten von Neil Young

Und die Weisheiten von „A Man Needs A Maid“, „Old Man“ und dem live eingespielten „The Needle And The Damage Done“ haben bis heute Bestand.

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Dabei waren die Umstände bei den Aufnahmen in Nashville alles andere als vielversprechend: Wegen eines Rückenleidens musste Young meist ein Stützkorsett tragen. Seinem anrührenden Gesang hört man die Einschränkung nicht an.

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Darum weigert sich Neil Young „Harvest“ live zu spielen

Seit Jahren mühen sich Tour-Veranstalter und Promoter vergeblich, Neil Young zu einer „Harvest“-Tournee zu bewegen. Wie der Singer-Songwriter vor einiger Zeit auf Anfrage bestätigte, bekam er bereits mehrfach einen satten Millionenbetrag geboten, um die beliebtesten Songs seiner großen Karriere – darunter natürlich auch der einzige Mega-Hit seines Musikerlebens, „Heart Of Gold“ – live zu spielen.

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In einem Interview mit Conan O’Brien bestätigte Young das für ihn unmoralische Angebot. Für ihn sei es aber Unsinn, „Harvest“ auf Tour komplett durchzuspielen, um damit vielleicht einige Nostalgiefetischisten zu bedienen. „Fast jeder, der auf ‚Harvest‘ zu hören ist, ist inzwischen gestorben“, sagte er. „Ich kann das nicht tun. Wäre Pflanzen nicht viel besser statt Ernten? (How about planting instead of harvesting?)“

The Stray Gators gibt es nicht mehr

Obwohl die Gaststars, die auf Youngs legendärer Platte zu hören sind (u.a. David Crosby, Stephen Stills, Linda Ronstadt und Graham Nash), ein Glück noch sehr lebendig sind, sind alle Mitglieder von Youngs Band aus dieser Zeit inzwischen verstorben.

Kritik: „Harvest (50th Anniversary Edition)“

Dieser Bestseller ist ein gutes Beispiel dafür, wie Musik aus den Erwartungen ihrer Zeit heraus vorschnell verurteilt wird. Ja, die Stray Gators hatten einfach nicht so viel Fleisch am Knochen wie Crazy Horse. Und was soll dieses komische Orchester da mittendrin? War „Heart Of Gold“ nicht doch zu banal? Und überhaupt, warum konnte es nicht einfach wieder CSN&Y geben? Dazu gab es die lustige Einschätzung, „Are You Ready For The Country?“ sei der stärkste der zehn Songs. Dabei gehört er zu den schwächeren, neben der echt lahmen „Southern Man“-Reprise „Alabama“.

Der Barock-Folk „There’s A World“ ist eher eine Welt für sich. So wie die des Junkies von „The Needle And The Damage Done“, schon damals ein einsames Solo. Daran knüpfen die hier enthaltenen Solo-Konzertversionen (BBC 1971) anderer Songs an. Wobei auch ein dramatisch forciertes „Old Man“ nur belegt, welch gute Wahl Young mit den in Nashvillevon Quadrafonic-Studiochef Elliot Mazer buchstäblich aufgelesenen Stray Gators treffen ließ. Allein die, tja, butterweiche Bass-Drum des Minimalisten Kenny Buttrey sowie Ben Keiths sublime Pedal Steel („Out On The Weekend“!) sind das Ticket wert.

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Erst die Studioband um Jack Nitzsche und Background-Engel wie Linda Ronstadt und James Taylor zeichnete dieses freundliche Country-Antlitz, das dem Gefühl dahinter so reizvoll widerspricht. Nicht nur im Titelsong gibt Neil Young den Happy-Sad-Prototyp schlechthin. Und sein Opus magnum ist „A Man Needs A Maid“ geblieben. Wenn das Orchester anhebt, ist es, als säße man selbst in dem Film, den Young in dem Song schaut, um sich in diese Schauspielerin zu verlieben (die es ja wirklich gab: Carrie Snodgress). Oft als misogyn gegeißelt, stellt der Song nur einen Mann bloß, der Angst hat, verletzt zu werden. Der interessanteste Teil der Geburtstagsauflage dürfte eine bisher unveröffentlichte Zwei-Stunden-Doku der Sessions sein, die vorab leider nicht begutachtet werden konnte.

(Rezension von Jörg Feyer)

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