Jukebox im Kopf – Der amerikanische Songwriter Nik Freitas hat seine Songs immer schon vollendet, bevor er sie aufnimmt

Versuche, die Songs zu beschreiben, die Nik Freitas schon seit 2002 veröffentlicht, enden früher oder später immer im Namedropping. Die meisten der Musiker, Bands oder Songwriter, die Journalisten in den vergangen Jahren eingefallen sind, nickt Freitas gerne ab: David Bowie, Paul Simon, Paul McCartney, Emitt Rhodes, Ray Davies, Ryan Adams… Nur bei Supertramp schüttelt er dann aber den Kopf. „Das ist dann doch ein bisschen seltsamer Vergleich“, beschwert er sich. Die musikalische Offenherzigkeit des Mannes aus Visalia, Kalifornien, hat also auch ihre Grenzen.

Gerade sitzt er in Hotelzimmer 215 im „Holiday Inn“ im südenglischen Portsmouth. Heute Abend wird er seinen vierten Gig in Europa spielen. „Und die ersten drei waren großartig“, schwärmt er. Allerdings ist er hier nicht mit seiner schönen neuen Platte „Sun Down „unterwegs, sondern als Mitglied der Mystic Valley Band, die Conor Oberst jüngst auf seinem Soloalbum und nun auch bei seiner Europa-Tour begleitet. „Es ist ein bisschen leichter, wenn du dich ganz auf die Lieder eines anderen verlassen kannst“, sagt er. „Vor allem, wenn es sich dabei um so einen großartigen Songwriter wie Conor Oberst handelt. Und ich finde es toll, in so einer Band zu spielen.“

In diesem Fall erweist sich Nik Freitas als guter Teamplayer. Aber das ist nicht immer so. Denn auch wenn man es seinen sanftmütigen Songs nicht unbedingt anmerkt — dem Liebesbekenntnis „Love Around“ oder dem mit Blasern herumalbernden „Sophie“ -, wenn es um seine eigenen Kompositionen geht, ist Freitas ein eigenbrötlerischer Kontrollfreak. „Sun Down“, das in den USA bei Conor Obersts Team-Love-Label erscheint, hat er wie die Vorgänger „Here’s Laughing At Ybu“, „Heavy Mellow“ und die Eigenveröffentlichung „Voicing The Hammers“, die es alle nicht bis nach Deutschland schafften, wieder allein in seiner Garage aufgenommen. „Ich habe ja bereits öfter versucht, mit Musikern zusammenzuarbeiten, doch schon beim Schreiben der Songs habe ich ziemlich genaue Vorstellungen, was die einzelnen Instrumente zu spielen haben.“ Wenn es darum geht, das umzusetzen, was Nik Freitas denkt, ist nun mal keiner so gut wie Nik Freitas selbst.

Und so billig. „Ich wollte, dass das Album fantastisch klingt, aber ich hatte nicht besonders viel Geld. Also habe ich viel Zeit damit verbracht, mich in Sachen Aufnahmetechnik schlau zu machen.“ Mit dem verblüffenden Ergebnis, dass „Sun Down“ zwar eine Low-Budget-Produktion ist, aber überhaupt nicht wie nach kleinem Geld klingt, sondern wahrscheinlich genau so, wie sich für Freitas die Songs angehört haben, als sie noch ausschließlich in seinem Kopf existierten. Eigentlich, behauptet er, seien die Songs schon fertig, bevor er auch nur eine Spur aufgenommen hat.

„Viele der Nummern auf diesem Album habe ich komplett im Kopf ausgearbeitet.“ Zum Beispiel die sarkastische Hymne „All The Way Down“, in der er singt „Took a sad, sad Situation/ And put a ribbon on your car/ Shook an apple from the family tree/And blew the whole nation apart“. „Es hat dann nur ein paar Stunden gedauert, bis der Song komplett fertig war.“

Obwohl der ehemalige Skater und Fotograf des Fachmagazins „Thrasher“ sich in seinen Songs als sensibler Songwriter präsentiert, will er das auf einem seiner früheren Alben verkündete „I don’t want to be a sentimental guy!“ nicht zurücknehmen. „Ich will nicht zurückdenken, sondern nach vorne schauen“, sagt er und erklärt die Zeile „I wanna walk with the feeling that I’m getting somewhere“ aus dem Titelsong „Sun Down“ zum Leitmotiv des Albums. Auf diesem Album geht es vor allem darum, dass man, komme, was da wolle, immer tun sollte, was man glaubt, tun zu müssen.“ Und das Schwerste am Songwriting, wie er es versteht, sei sowieso, sich weiterzuentwickeln und nicht die alte Formel immer zu wiederholen.

Mehr oder weniger das Gleiche machen muss er jetzt aber noch für eine ganze Weile. Einige Monate tourt er mit Conor Oberst, dann erst ¿will er auch mit seinen eigenen Songs in Europa auftreten. Aber lieber solo, weil es billiger ist – und natürlich vor allem, weil er so alles besser unter Kontrolle hat.

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