Kinostart der Woche II: „Crazy Heart“. Jeff Bridges trinkt und klampft sich zum Oscar.
Heute startet mit "Crazy Heart" einer der heißesten Anwärter für die Oscar-Verleihung am kommenden Sonntag. Das Regiedebüt von Scott Cooper mag keine neue Geschichte erzählen, überzeugt aber dennoch.
Der Dude ist zurück. Was Jeff Bridges in „The Big Lebowski“ allerdings völlig losgelöst als Lebenshaltung zelebrierte, verkörpert er hier brillant als Drama eines gescheiterten Mannes. Countrysänger Bad Blake ist ein Wrack. Alt, ausgebrannt, alkoholkrank und abgeschrieben. In einem klapprigen Kombi tingelt er mit seiner Gitarre durch die Provinz, spielt in Kneipen und Bowlinghallen vor kleinem Publikum, das mit ihm gealtert ist. Den ersten Whisky kippt er am Morgen in muffigen Motelzimmern, taumelt meist betrunken auf die Bühne und verliert irgendwann die Kontrolle. Als ihn die junge Journalistin und allein erziehende Mutter Jean (Maggie Gyllenhaal) interviewt, entsteht sich zwischen ihnen langsam ein zartes Verhältnis. Zudem bucht ihn sein einstiger Schützling Tommy Sweet (Colin Farrel), jetzt ein Superstar, als Support für eine Show. Blake blüht auf, bleibt aber in seiner Sucht gefangen.
Mit seinem Regiedebüt, benannt nach einem Song von Hank Williams, erzählt Scott Cooper keine neue Geschichte vom tiefen Fall und die Chance auf Erlösung. Er erreicht auch nicht die Virtuosität von Darren Aronofkys „The Wrestler“, der ein ähnliches Schicksal teilt, oder „Leaving Las Vegas“ von Mike Figgis. Von Untergangsstimmung ist der Film weit entfernt. Cooper und Bridges schaffen vielmehr selbstironische Sympathie für den tragikomischen Kauz, der es sich bis zum Wendepunkt ohne Bitterkeit im Abseits eingerichtet hat. Wenn Blake mit ebenfalls meist alternden Musikern seine früheren Hits spielt, schwingt ein wehmütiges Glücksgefühl mit, das bis zum Kater am nächsten Tag anhält.
Außerdem ist „Crazy Heart“ ein grandioser Musikfilm über die Mythen des Songwritings und die Magie von Konzerten. Bridges, der hier etwas wie Kris Kristofferson aussieht, und Farrell singen sogar selbst. Ihr Auftritt auf einer nächtlichen Open-Air-Bühne ist ein elektrisierender Höhepunkt. Der Song „The Weary Kind“ von T-Bone Burnett gewann ebenso einen Golden Globe wie Bridges. Er könnte auch den Oscar erhalten, der dem Dude verwehrt wurde.
Oliver Hüttmann