Kritik: „Death To 2020“ auf Netflix: lustig, klar – mutlos auch

„Death To 2020“ ist eine sehenswerte Mockumentary, nur ist die Retrospektive eines grauenvollen Jahres eben nicht so schlau, wie es eine Zukunftsvision sein könnte, die von den zuletzt arg enttäuschenden „Black Mirror“-Machern zu hoffen gewesen wäre.

Charlie Brookers Versuche der Total-Satire sind nicht immer mit Erfolg gekrönt. Auf jedes „The National Anthem“ folgte, wie zuletzt, ein „Rachel, Jack and Ashley Too“ mit einer überforderten Miley Cyrus, die sich in den Meta-Ebenen ihrer Künstlerpersönlichkeit verliert, was selbstbespiegelnd, aber wenig unterhaltsam ist.

„Death To 2020“ ist vielleicht Brookers erster Film, der die Frage stellt, ob die „Black Mirror“-Dystopie nicht schon längst Realität geworden ist. Ein Jetzt-Film also. Der Horror des Jahres, bestimmt durch das Coronavirus, Trump, die Klimakatastrophe, Brexit und den Mord an George Floyd.

Das macht „Death To 2020“ zu einer bisweilen sehenswerten Mockumentary. Nur ist die Retrospektive eines grauenvollen Jahres eben nicht so schlau, wie es eine Zukunftsvision sein könnte, die von den zuletzt arg enttäuschenden „Black Mirror“-Machern vielleicht nicht zu erwarten, aber immer noch zu hoffen gewesen wäre. Selbst die 80er-Jahre-Hommage „Bandersnatch“ hatte mit seiner dem Zuschauer zur Verfügung stehenden Multilevel-Auswahl an Handlungssträngen zumindest eine technische Vision.

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„Death To 2020“ ist also eine Rückblicks-Revue, weniger ein „Black Mirror“-Film. Eher „heute show“ oder wie die Sendungen von Colbert. Die Witze kommen im Sekundentakt, aber sie sind nicht alle gut, geschweige denn clever. „Davos ist das Coachella der Milliardäre“, „Greta Thunberg ist die neue Billie Eilish – eine Karriere, die auf Depressionen beruht“, „General Soleimani – die Beyonce der Revolutionsgarde“ oder „das Corona-Virus, das auf die Welt einbrach wie die Weißen Wanderer in Westeros“ … es gibt sogar eine Soccer Mommy, die das inflationär gebrachte Verschwörungstheoretiker-Argument vorbringt: „George Soros hat das Virus in einem chinesischen Labor erschaffen, damit Bill Gates einen Impfstoff entwickeln konnte, der …“ – Sie wissen, wie es weitergeht.

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Brookers Sicht ist aber nicht nur eine, in der die Soccer Mommy, die Central-Park-Karens oder Trump-Wähler im Allgemeinen, oder real existierende Briten wie Boris Johnson durch Idiotie glänzen, sondern in der vor allem die um Neutralität bemühten Intellektuellen und Wissenschaftler versagen. Hugh Grant spielt einen Historiker, der sich im Fantasy-Film „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ verliert und glaubt, er war wirklich dabei; Leslie Jones verkörpert eine Verhaltenspsychologin, die nur an ihre Buchverkäufe denkt. Auch dass die nachfolgende Generation den Planeten verändert, scheint ausgeschlossen. Der von Joe Keery – brillant – verkörperte Millenial-YouTuber hat, wie so viele seines Alters, versucht, Frieden zu schaffen, indem er schwarze Quadrate im Internet postete, aber sich danach halt weiter um die Pflege seines Social-Media-Kanals kümmerte.

Tatsächlich markieren George Floyds Tod und die „Black Lives Matter“-Proteste den einzigen Film-Moment, in dem es stiller wird und Charlie Brooker auf satirische Erzähl-Elemente verzichtet. Warum das so ist, ein Zeichen von Pietät oder eher Mutlosigkeit, bleibt der persönlichen Einordnung überlassen.

Donald Trump wird an einer Stelle übrigens nebensächlich als „experimental Pig-Man“ bezeichnet. Möglicherweise ein Easter Egg, ein Hinweis auf jene „Black Mirror“-Episode, die in unserem Ranking auf Platz zwei steht.

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