Musik, von Werbern umworben

Dank TV-Spot-Untermalung enterte ein Song von POLAR die Charts. PAT MACDONALD aber lehnte es ab, dass sein Hit Käufer ködern sollte

In unserer schönen, heilen Welt der Werbung ist alles immer so furchtbar klar. Eine Melodie, ein Blick, ein Produkt – voilá!, die Zukunft leuchtet. Komisch nur, dass gelegentlich Typen in der Werbung landen, für die fast gar nichts klar ist. Schon gar nicht die Zukunft. Erik Linder alias Polar ist so ein Typ. In seinem Song „Bipolar Dream“ hört er „all diese Stimmen in meinem KopP – und landete damit in einem T-Online-Spot der den jungen Musiker aus Genf sogar kurz in die deutschen Charts hievte.

Womöglich wäre ja noch mehr daraus geworden, hätte der Werbepartner es nicht versäumt, explizit auch auf den Interpreten hinzuweisen. So gab es wohl viele Ratlose, die zwar den Song summen, aber dem Sänger im Plattenladen nicht auf die Spur kommen konnten. „Skeptisch“, verrät Linder, sei er anfangs schon gewesen, aber „die Images“ gefielen, der Spot respektiere „den Geist des Songs“. Allerdings: „Für die Schweizer Banken hätte ich den Song nicht hergegeben.“ Eine verständliche Aversion, die eher persönlich denn politisch motiviert scheint Des lieben Geldes wegen hatten seine Eltern einst die nestwarme Sippe der Mutter in Carlow (südlich von Dublin) hinter sich gelassen, um in der Schweizer Heimat des Vaters zu leben – in einer emotional unterbelichteten Kleinfamilie voller versteckter Gefühle. Das Leiden daran sublimierte er zunächst sportlich: als auf Anhieb erfolgreicher Querfeldeinläufer. Doch der Sport besänftigte „nur bestimmte Teile“ seiner Psyche. Erst die von seinem Bruder angeregte Beschäftigung mit der Gitarre wurde zur Offenbarung. Linder: „Da war dieses Gefühl, mit unbekannten Orten in mir in Kontakt zu kommen.“ Nun hofft er auf eine Zukunft jenseits pragmatischer Werbekontakte – nicht unbegründet angesichts seines zweiten Albums „Bi“, das mit stilsicherem Minimalismus die Quersumme zieht aus alter Songkunst und neuer Soundspielerei.

Für Jimmy Webb schwärmt Polar ebenso wie für deutsche Elektronik. Kurios nur, dass der Spot-Song beinahe nicht auf“Bi“ gelandet wäre. Linder: „War mir zu poppig. Genau wie ,My Future Is Unclear‘. Worauf ein Freund mich verrückt nannte. Sie werden die Songs lieben, sagte er. Die sind auch ein Teil von dir. Oder magst du keinen Pop?“

Dass die Zukunft zuweilen so hell erstrahlt, dass nur der Griff zur Sonnenbrille bleibt, wusste Pat MacDonald schon 1986, als er mit Timbuk 3 und „The Future’s So Bright, I Gotta Wear Shades“ seinen ersten und einzigen Top-40-Hit landete. Dreizehn Jahre später – die Agenturen plagten sich mit der großen Millenniums-Kampagne – avancierte die sarkastische Anti-Yuppie-Hymne noch mal zur „ganz heiß umworbenen Nummer“ (MacDonald). Gleich drei Werbeofferten über je eine halbe Million Dollar flatterten ihm ins Haus. Er sagte dreimal „njet“. Warum? Eine „gewisse Anti-Konsum-Haltung“ habe eine Rolle gespielt, begründet er. Doch entscheidender sei, dass „die Musik in der Werbung immer nur eine untergeordnete Rolle einnehmen kann, weniger wichtig wird als das Auto, dass sie verkaufen soll“

Die alten Ideale waren MacDonald wohl eine Stütze, als er gezwungen war, sein Leben neu zu ordnen -nach dem Split von Timbuk 3 und Ehefrau Barbara. Er zog von Austin nach Barcelona. Was seine alte US-Firma prompt auf die Idee brachte, „so eine spanisch angehauchte Platte mit mir zu machen. Sie wollten einen David Byrne oder Paul Simon, der seinen Sound einem fremden Ort entsprechend verändert.“ Doch der Einfluss der neuen Residenz sei „viel subtiler, eine kleine Koloratur. Denn ich tue, was ich tue egal, wo ich bin.“

So wurde das zweite Solo-Album „BeggingHer Graces“ sein erstes, das ein europäisches Label finanziert hat. Unterdessen scheinen andere Dinge wieder ins Lot zu kommen. Jüngst gratulierte Pat Barbara zum 3. Jahrestag ihrer Scheidung. Sie konnte seine Musik danach lange nicht hören, war aber immer „meine wichtigste Kritikerin“. Und siehe da: „Begging…“ fand ihre Gnade. Doch so schön wie in der Werbung kann’s wohl nicht mehr werden.

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